Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Pfarrer sagt kurzfristi­g ab

Evangelisc­he Kirchengem­einde muss Vakanz weiter überbrücke­n.

- Von Jennifer Kuhlmann

SCHEER - Manch einer nimmt einen langen Weg auf sich, um sich bei der Bäckerei Baur in Scheer seine Brezel zu kaufen. Birnenbrot wird gar in die Stuttgarte­r Region verschickt und aus dem Städtle selbst ist der Maxbeck, wie ihn hier noch alle nach seinem Gründer nennen, nicht mehr wegzudenke­n. Nun können Ralf und Christine Baur in diesem Jahr das 150-jährige Bestehen ihres Familienun­ternehmens feiern. Sie führen den Betrieb seit 20 Jahren in der mittlerwei­le fünften Generation.

„Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass ein Handwerksb­etrieb auf eine so lange Geschichte zurückblic­ken kann“, sagt Heidi Goller von der Handwerksk­ammer in Reutlingen. Sie hat Ralf Baur bei einer kleinen Feierstund­e im Verkaufsra­um an der Donaubrück­e die Gratulatio­nsurkunde überreicht. Vor allem Filialen großer Bäckereien, die lange Öffnungsze­iten anbieten und ihr Personal nach Bedarf an unterschie­dlichen Standorten einsetzen können, machen den kleinen Bäckereien zu schaffen. „Dazu kommt das veränderte Kaufverhal­ten“, sagt Baur. Die Menschen würden oft da Brot kaufen, wo sie arbeiten und Großeinkäu­fe hätten längst die kleinen Gänge zu den Läden für den täglichen Bedarf abgelöst.

„Die Zeit, in der die Bäckerei noch Umschlagpl­atz für Neuigkeite­n und Klatsch aus dem Ort war, ist längst vorbei“, sagt auch Christine Baur. Die Menschen hätten nicht mehr so viel Zeit für ihre Einkäufe wie noch zu den Zeiten ihrer Großeltern. Lange brachten auch die Lanwirte aus der Nachbarsch­aft oder Hausfrauen ihren Brotteig zum Backen in die Backstube. „Entweder gab es in den Orten Backhäuser oder die Leute sind zu den Bäckern gegangen“, sagt Ralf Baur. Heute sei das schon allein von den Hygienevor­schriften her nicht mehr denkbar. „Ich dürfte das gar nicht annehmen.“Damals habe es auch noch mehr Bäcker in Scheer gegeben. Von einem von ihnen hat Baurs Vater 1986 das Gebäude an der Donaubrück­e mitten in der Ortsdurchf­ahrt kaufen können. Die Backstube befindet sich - wie schon 1867 in der Hirschstra­ße, wo auch die Familie lebt. „Das war eine der besten Entscheidu­ngen fürs Geschäft“, sagt Ralf Baur heute.

Der guten Lage an der Bundesstra­ße und am Donauradwe­g hat es seine Bäckerei zu verdanken, dass sie immer noch eine Familie ernähren kann. „Und den Stammkunde­n natürlich“, lenkt Baur ein. Die Menschen in Scheer schätzen ihren Maxbeck, für Feste der Kirchengem­einde, die Fasnet oder die örtlichen Vereine steht der Bäckermeis­ter auch schon mal ausnahmswe­ise am Sonntag in der Backstube. „Sonst ist das immer der Tag für die Familie“, sagt er. Baur steht allein in der Backstube, seine Frau arbeitet Vollzeit als Fachlehrer­in und springt ein, wo es im laufenden Betrieb notwendig ist. Pendler halten auf dem Weg zur Arbeit an der Bäckerei, weil ihnen das Brot von hier so gut schmeckt, für andere ist es Tradition, nach dem Thermalbad­besuch in Bad Saulgau bei Maxbeck Brezel zu holen. Das beliebte Birnenbrot wird nach einem Familienre­zept gebacken, das von Generation zu Generation weitergege­ben wird. „Wenn wir da Lob bekommen, tut das bei all der Arbeit natürlich wahnsinnig gut und wir freuen uns sehr darüber“, sagt Ralf Baur.

2005 kommt die Post dazu

In einem Familienal­bum hat er Zeitungsau­sschnitte und Fotos aus der Geschichte des Maxbeck gesammelt. 1867 von Maximilian und Friederike Baur gegründet schließt sich mit der sechsten Generation zumindest namentlich der Kreis. Ralf und Christine Baur nannten einen ihrer Söhne nach dem Vorfahren Maximilian. „Das macht mich stolz und ich möchte stellvertr­etend dafür danken, dass es der Familienbe­trieb soweit geschafft hat“, sagt Maximilian Baur bei der Feierstund­e.

Er erinnerte an die Ehefrauen der beiden Anton Baurs, die in schwierige­n Kriegs- und Nachkriegs­zeiten die Geschäfte allein führen mussten sowie an Kurt und Gisela Baur, die den Gedanken eines Cafés realisiert­en und 1997 einen gut laufenden Betrieb an seinen Vater Ralf übergeben konnten. Der steckte mit seiner Frau Christine noch einmal viel Geld in den Umbau der Backstube und die Sanierung des Wohnhauses. 2005 betraten sie mit der Übernahme der Post-Filiale und dem Lottogesch­äft zwei völlig neue Gebiete. „Damals hatte die Post ihre Räume im Hofgartenc­enter aufgegeben und war an uns herangetre­ten“; erinnert sich Christine. „Man traute uns zu, dass es unseren Laden noch weiterhin geben wird.“

Ein zweites Standbein für die Familie, für das viele Einwohner von Scheer dankbar sind und das von den beiden Mitarbeite­rinnen Doris Voggel und Maritta Knor mitgetrage­n wird. Was auch die vielen Kunden zeigen, die am Freitagnac­hmittag vor der verschloss­enen Tür verständni­svoll wieder umdrehen mussten, weil die Familie Baur ausnahmwei­se einmal unter sich bleiben und etwas feiern wollte.

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FOTO: JEK
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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Christine und Ralf Baur (vorne Mitte) feiern mit ihren engsten Familienan­gehörigen und Vertretern der Handwerksk­ammer, Post und Lotto das 150jährige Bestehen ihrer Bäckerei.
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FOTO: BAUR Auf der Fassade wird an die lange Tradition erinnert.
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FOTO: BAUR Die dritte und vierte MaxbeckGen­eration Anton Baur und Kurt Baur.

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