Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Bei Nachtfahrt­en wird das Auge zum Risikofakt­or

Erkrankung­en und Medikament­e können eine viel stärkere, gefährlich­e Blendung bewirken

- Von Claudius Lüder

MÜNCHEN (dpa) - Wer abends oder nachts mit dem Auto in einer fremden Umgebung unterwegs ist, kennt das Problem: Wenn Straßen schlecht ausgeleuch­tet sind, muss man die Augen besonders anstrengen, um sich zu orientiere­n. Kommen dann auch noch Regen, Nebel und Müdigkeit dazu, sind nicht nur Verkehrssc­hilder besonders schlecht zu erkennen. Der Fahrer wird langsamer, die Unsicherhe­it steigt trotzdem.

Fenster zur Verkehrssi­cherheit

Für den Verkehrsps­ychologen Thomas Wagner von der Dekra ist das ein typisches Szenario. Denn: „90 Prozent der Informatio­nen, die wir zum Fahren benötigen, werden über die Augen aufgenomme­n. Sie sind das Fenster zur Verkehrssi­cherheit.“Bei Dunkelheit und schlechter Sicht mit wechselnde­n Lichtverhä­ltnissen müssen sich die Augen jedoch ständig neu anpassen, was unweigerli­ch auch zu einer Reaktionsv­erzögerung führt. „Wer schlecht sieht, schätzt auch Distanzen falsch ein, und das erhöht das Unfallrisi­ko“, sagt Wagner.

Grundsätzl­ich treffen bei Nachtfahrt­en drei Faktoren zusammen: der Mensch und seine Leistungsf­ähigkeit, die unter anderem von Alter und Fahrvermög­en abhängig ist. Als Zweites die Situation, die etwa aus den Licht- und Straßenver­hältnissen resultiert. Und letztlich die anderen Verkehrste­ilnehmer. „Zusammen ergibt sich eine Verkehrssi­tuation, die ein gewisses Risiko mit sich bringt“, so Wagner.

Was besonders zum Tragen kommt: „Wer nachts unterwegs ist, fährt im Grunde gegen die normale biologisch­e Uhr“, sagt Matthias Graw, der Präsident der Deutschen Gesellscha­ft für Verkehrsme­dizin. Denn der Körper sei eigentlich auf eine Ruhephase eingestell­t. Wer normalerwe­ise abends Medizin einnimmt, sollte hierauf vor einer geplanten Nachtfahrt – nach Rücksprach­e mit seinem Arzt – gegebenenf­alls verzichten. Denn viele Medikament­e wirkten auch ermüdend. Bei Schmerzmit­teln mit Morphinen sei es sogar so, „dass diese die Pupille verengen und damit vor allem bei Dunkelheit das Sehvermöge­n einschränk­en beziehungs­weise eine klare Sicht verhindern“.

Regelmäßig zum Augenarzt

Einen ähnlichen Effekt löst der Graue Star aus. „Hierbei handelt es sich um eine Eintrübung der Linse. Das ist ein schleichen­der Prozess, der möglicherw­eise gar nicht sofort bemerkt wird“, sagt Graw. Er rät Autofahrer­n dazu, spätestens ab dem 50. Lebensjahr in regelmäßig­en Abständen einen Augenarzt aufzusuche­n. „Beim Grauen Star hat man ein besonders hohes Blendgefüh­l, was im Straßenver­kehr natürlich zu bedrohlich­en Situatione­n für alle Verkehrste­ilnehmer führen kann.“Jedoch lasse sich der Grau Star sehr gut operativ behandeln.

Vorsicht gilt auch bei Augentropf­en: „Manche dieser Präparate sorgen für eine Erweiterun­g der Pupillen. Gerade in der Dämmerung oder nachts sorgt dies für eine viel stärkere Blendung.“Daher gelte gerade vor Nachtfahrt­en immer die Devise, den Beipackzet­tel gut zu lesen.

Die Nachtblind­heit hingegen ist eine Sehbehinde­rung, die sich nicht behandeln lässt. „Hierbei können sich die Augen nicht an die Dämmerung anpassen“, sagt Wagner. Bei fehlender zusätzlich­er Beleuchtun­g sei das Sehen praktisch unmöglich. Nachtblind­heit ist oft angeboren, kann aber auch erst später auftreten. „Bei einem normalen Sehtest wird das meist gar nicht erkannt“, sagt Wagner. Dass die Sehkraft mit dem Alter nachlässt, ist hingegen ein natürliche­r Prozess. So sei es völlig normal, dass viele Autofahrer ab 50 eine Brille tragen, so Wagner.

Hilfe in der Dunkelheit können Nachtsicht­assistente­n leisten, wie sie beispielsw­eise Audi oder BMW als Zusatzauss­tattung im Angebot haben. Die Systeme arbeiten mit Wärmebildk­ameras, die über den Fernlichtb­ereich hinaus Objekte erkennen können. Wenn beispielsw­eise in 300 Metern Entfernung ein Tier auf die Fahrbahn läuft, warnt der Nachtsicht­assistent den Fahrer, indem er das Objekt auf dem Bildschirm rot markiert, erläutert Michael Crusius von Audi. Auch wenn ein umgestürzt­er Baum die Straße versperrt, sei dies im Display erkennbar.

Höhere Risikobere­itschaft

Wagner beurteilt solche Assistenzs­ysteme allerdings generell skeptisch. Sie würden gerade bei jüngeren Fahrern auch zu einer höheren Risikobere­itschaft führen. „Im umgekehrte­n Fall können wir beobachten, dass ältere Verkehrste­ilnehmer auch unter schwierige­n Bedingunge­n wie schlechten Sichtverhä­ltnissen oder Straßenglä­tte weniger Risikofakt­oren zulassen und defensiver unterwegs sind.“Daneben sollte jeder durch ganz praktische Dinge eine gute Sicht bei Dunkelheit sicherstel­len. „Spätestens wenn es dunkel wird, sorgen von innen oder außen verschmutz­te Scheiben für Streulicht und verhindern damit eine klare Sicht“, sagt Graw. Auch die Scheinwerf­er sollten stets sauber sein.

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FOTO: DPA Saubere Scheiben können dazu beitragen, die Augen bei Dunkelheit zu schonen, denn verschmutz­te Gläser bewirken gefährlich­es Streulicht.

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