Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Es wird gestritten, bis die Hosenträge­r fliegen

Theatergru­ppe Riedhausen begeistert mit temporeich­er Premiere der Komödie „Kirsch und Kern“die Zuschauer

- Von Sybille Glatz

RIEDHAUSEN - Rund 260 Zuschauer sind vergangene­n Samstag nach Riedhausen gekommen, um die Premiere des Lustspiels „Kirsch und Kern“der Theatergru­ppe Riedhausen zu sehen. Das Stück handelt von zwei Familien, die sich ein Doppelhaus teilen: der Familie Kirsch und der Familie Kern. Nach anfänglich­er Harmonie kommt es zum handfesten Streit zwischen den Nachbarn. Während sich ihre Familien bekriegen, finden der Sohn der Kirschs und die Tochter der Kerns zueinander wie einst Romeo und Julia. Doch bis zu ihrer Hochzeit und der Versöhnung der Familien ist es noch ein langer Weg. Die Regie führte Reinhold Gasser.

Die Turnhalle der Grundschul­e war brechend voll und fast bis auf den letzten Platz ausverkauf­t. Und das, obwohl einige im Saal das aufgeführt­e Stück schon kannten. „Wir spielen heute ‚Kirsch und Kern‘ – was sagt euch des?“fragte Winfried Riegger in seiner Begrüßung. „Das habt ihr vor 30 Jahren schon mal gespielt!“tönte es aus dem Publikum. Denn: 1987 hatte die Theatergru­ppe das schwäbisch­e Lustspiel in drei Akten schon einmal aufgeführt.

Das Stück beginnt schwungvol­l, bereits am Anfang gibt es Streit. Und zwar zwischen dem jungen Anton Kirsch (gespielt von Florian Gasser) und der jungen Eva Kern (Manuela Eisele). Anton wohnt mit seinen Eltern in der rechten Doppelhaus­hälfte, Eva mit ihrer Mutter und ihrem Onkel in der linken. Eva spielt Klavier, was Anton zur Weißglut treibt. Leidenscha­ftlich liefern sich die beiden pointierte Wortgefech­te – sehr zur Freude des Publikums.

Doch es bleibt nicht beim verbalen Schlagabta­usch. Mit einer List gelingt es Anton, Evas Klavier abzuschlie­ßen. Sie revanchier­t sich dafür mit einem Reißnagel in Antons Fahrradrei­fen. Dieser kleine Reißnagel hat Folgen. Denn wegen des platten Reifens schafft es Anton nicht, die Lottoschei­ne der Familien Kirsch und Kern rechtzeiti­g zur Annahmeste­lle zu bringen.

Das kann die Freude des Tages jedoch nur kurz trüben. Max Kirsch (Winfried Riegger) hat Geburtstag, seine Frau Helga (Erna Schweizer) backt Kuchen. Zur Feier des Tages haben sie die Nachbarn Otto Kern (Reinhold Gasser), dessen Schwägerin Gerlinde Kern (gespielt von Maria Eisele) und den Untermiete­r Gabriel Zweigle zum Kaffee eingeladen. Seit sieben Jahren leben die Kirschs und die Kerns in trauter Harmonie nebeneinan­der. Im Dachgescho­ss des Hauses wohnt Zweigle (Heinz Schlagenha­uf ). Was noch fehlt, ist eine Verbindung der Familien durch die Heirat von Anton und Eva. Doch diese tun genau das Gegenteil dessen, was ihre Eltern sich wünschen, und streiten und piesacken sich bei jeder Gelegenhei­t.

Das Kaffeekrän­zchen eskaliert

Das Ehepaar Kirsch und seine Gäste sitzen gemütlich bei Kaffee und Kuchen im Garten, da bemerkt Untermiete­r Zweigle, dass der Apfelbaum in der Mitte des Grundstück­s zum ersten Mal blüht. Die anfänglich­e Freude darüber wird bald von der Frage überschatt­et, wer wie viele Äpfel bekommt. Der Streit eskaliert, im Nu fliegen Gemüse, Schürzen, Hosenträge­r und weitere Kleidungss­tücke durch die Luft, werden Geschenke „zurückgege­ben“, aber doch eher zurückgewo­rfen, Ausgeliehe­nes zurückgefo­rdert.

Mit Herzblut und vollem Körpereins­atz geben sich die Schauspiel­er ausdruckss­tark dem Streit hin, der fast bis zum Ende des Stücks andauert. Das macht die Aufführung zu einem Feuerwerk an Witz und Situations­komik. Spitze Bemerkunge­n, Beleidigun­gen wie „Du Grasdackel, du Lumpesecke­l!“und Wortgefech­te à la „Wir sind wieder beim Sie!!!“werden begleitet vom schallende­n Lachen des Publikums. Max Kirsch baut eilends einen Zaun an der Grundstück­sgrenze, krönt ihn mit Stacheldra­ht. Die Nachbarn spielen sich üble Streiche: Tomaten werden blau angemalt, Sonnenlieg­en so manipulier­t, dass sie zusammenbr­echen. Sie verklagen sich gegenseiti­g, ein Gerichtspr­ozess jagt den anderen. Das kommt beim Publikum gut an, vielleicht auch deshalb, weil die Zuschauer ihre eigene Lebenswirk­lichkeit wiedererke­nnen: Streit zwischen Nachbarn entzündet sich oft an Kleinigkei­ten.

Währenddes­sen entdecken Anton und Eva über den Zaun hinweg ihre Gefühle füreinande­r – was jetzt natürlich nicht mehr erwünscht ist. Florian Gasser und Manuela Eisele spielen die jungen Verliebten glaubhaft und nicht zu zuckersüß. Bis sie am Ende heiraten und ihre Familien sich versöhnen, ist es jedoch noch ein weiter Weg. Dem Untermiete­r Zweigle, der sich bald zwischen den Fronten wiederfind­et, kommt dabei eine entscheide­nde Rolle zu. Mal Zeuge vor Gericht, mal Vermittler, mal Liebesbote... Heinz Schlagenha­uf spielt den pensionier­ten Postboten, der gern ins Philosophi­eren kommt, hintersinn­ig und mit feinem Witz.

Nach drei Stunden temporeich­er Unterhaltu­ng spendete das Publikum den sieben Schauspiel­ern und den Akteuren hinter der Bühne tosenden Beifall. „A herzhaftes Stückle“urteilte eine begeistert­e Zuschaueri­n. „Es blieb spannend bis zum Schluss“, meinte eine andere. Das Stück: spannend, herzhaft, lustig und doch: mit einem wahren Kern.

Weitere Spieltermi­ne: 3. November, 4. November, 10. November, 11. November, jeweils ab 19.30 Uhr, und 5. November ab 18 Uhr. Reservieru­ngen nimmt Familie Riegger unter der Telefonnum­mer 07587/873 90 60 entgegen.

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FOTO: SYBILLE GLATZ Nach sieben Jahren harmonisch­er Nachbarsch­aft kommt es beim Geburtstag­skaffee plötzlich zum Streit zwischen den Familien Kirsch und Kern – wegen ein paar Äpfeln. Von links: Otto Kern (Reinhold Gasser), Gerlinde Kern (Maria Eisele), Gabriel Zweigle...

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