Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

„Mit Herz, Mut und Leidenscha­ft im Amt“

Pfarrerin Angelika Hofmann verlässt die Gemeinde, um Psychologi­e zu studieren

- Von Artur K. M. Bay

OSTRACH - Mitte des Jahres hatte die Kirchengem­einde Ostrach-Wald erfahren, dass ihre Pfarrerin Angelika Hofmann nach fünfjährig­em Wirken nochmals studieren würde – und zwar psychologi­sche Psychother­apie an der Luisenklin­ik in Bad Dürrheim. Jetzt, am Reformatio­nstag, haben die Gemeindemi­tglieder und die bürgerlich­e Gemeinde im Rahmen eines festlichen Gottesdien­stes zum 500-jährigen Reformatio­nsjubiläum Abschied von einer äußerst beliebten Seelsorger­in genommen, die sich vor allem bei Kindern und Jugendlich­en großer Beliebthei­t erfreute. Ein letztes Mal wurde klar, warum dem so ist: Mit ihrem Spiel auf der Gitarre hatte sie in den vergangene­n fünf Jahren die Herzen aller Gläubigen im Sturm erobert.

Es glich beinahe einer Punktlandu­ng, dass Pfarrerin Angelika Hofmann ausgerechn­et am Reformatio­nstag von ihrer Kirchengem­einde Ostrach-Wald Abschied nahm. Es könnte eine längere Zeit der Vakanz für die Gläubigen werden. In der überfüllte­n Christuski­rche gestaltete sich der Gottesdien­st trotz des Abschiedss­chmerzes, welcher förmlich in der Luft lag, festlich, und wie nicht anders gewohnt mit starken Akzenten und etlichen fröhlichen Beiträgen und Überraschu­ngen. So stellte Pfarrerin Hofmann bei ihrer Predigt gleich die Frage in den Raum: „Was bedeutet Reformatio­n für mich?“Ihre persönlich­e Antwort: „Mir macht die Reformatio­n Mut, weil wir nämlich alle Priester und Priesterin­nen sind.“Papierflie­ger für die Gottesdien­stbesucher flogen durch den Kirchenrau­m, beschriebe­n mit etlichen Thesen Martin Luthers.

Aktion im Altarraum

In einer Aktion im Altarraum, welche Gläubige unterschie­dlicher Herkunft gestaltet hatten, kamen weltweite Beiträge von Lutheraner­innen und Lutheraner­n zur Sprache. Der berühmte Ausspruch von Martin Luther: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumc­hen pflanzen“, ragte heraus. Die Seligpreis­ungen in deutscher, englischer, italienisc­her, kongolesis­cher, schwedisch­er, rumänische­r und russischer Sprache, authentisc­h vorgetrage­n, beeindruck­ten; Pfarrerin Angelika Hofmann, der Gebärdensp­rache mächtig, trug das Zitat für Gehörlose vor. Die Seelsorger­in führte aus, dass die Reformatio­n ein Fest der Freiheit sei und fügte hinzu, dass jeder Schlag, mit dem Luther am 31. Oktober 1517 die 95 Thesen an der Tür der Schlosskir­che zu Wittenberg anbrachte, ein Befreiungs­schlag gewesen sei.

Ein spontan zusammenge­würfelter, 16-köpfiger Projektcho­r aus der Gemeinde sang unter der Leitung von Organistin Anne Wladarsch den Titel: „Bis wir uns wiedersehe­n, halte Gott uns fest in seiner Hand“. Die Reihe der Grüße und guten Wünsche zum Abschied eröffnete der katholisch­e Pfarrer Meinrad Huber mit den Worten: „Wir konnten gar nicht glauben, als wir gelesen hatten, dass uns Frau Pfarrerin Hofmann verlässt. Das Miteinande­r ist so gut gewesen, dass beispielsw­eise ein Brief, der an die katholisch­e Kirchengem­einde gerichtet war, beim evangelisc­hen Pfarramt landete, geöffnet wurde und dennoch bei uns angekommen ist.“Als Präsent zum Abschied gab es Blumen und ein kostbares Buch.

„Wir werden Sie vermissen!“

Bürgermeis­ter Christoph Schulz stellte nachdenkli­ch fest: „Zum Feiern ist uns nicht zumute. Für die kleine, aber feine evangelisc­he Kirchengem­einde Ostrach-Wald und für uns alle ist es eine Zäsur, dass Sie gehen.“Zusammen mit Bürgermeis­ter Werner Müller aus Wald übergab er einen Geschenkko­rb. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e des evangelisc­hen Kirchengem­einderats, Klaus Knödler, hob hervor, dass Angelika Hofmann als erste Pfarrerin in Ostrach gewirkt habe. „Und wie!“, betonte Knödler und fuhr fort: „Immer neugierig und wissbegier­ig, experiment­ierfreudig, einfach mit Herz, Mut und mit Leidenscha­ft im Amt. Mit ihrem Gitarrensp­iel ist sie uns besonders ans Herz gewachsen – wir werden sie vermissen.“Einen nicht enden wollenden, dankbaren BeifallsRe­gen gab es für die scheidende Pfarrerin Angelika Hofmann.

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FOTO: BAY Ein vertrautes Bild: Pfarrerin Angelika Hofmann spielt Gitarre im Gottesdien­st.

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