Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Blut, Schweiß und Siege
Müde Bayern gewinnen auch das sechste Spiel unter Heynckes – dank 2:1 bei Celtic im Achtelfinale
GLASGOW - Sechstes Spiel, sechster Sieg. Der Heynckes-Lauf beim FC Bayern München geht weiter.
Auch beim FC Chelsea. Auch an Halloween. Unheimlich? Mitnichten. Lediglich das Ergebnis konsequenter Arbeit des zurückgekehrten Bayern-Trainers.
Mit dem 2:1 (1:0)-Auswärtserfolg in der Champions League haben sich die Münchner vorzeitig fürs Achtelfinale qualifiziert. An den letzten beiden Spieltagen vor Weihnachten geht es lediglich um Platz eins in der Gruppe im Duell mit Paris St. Germain, nach dem 5:0 gegen Anderlecht mit voller Punktzahl und 17:0 Toren (!) Tabellenführer.
Doch ein Überholmanöver wie zuletzt in der Bundesliga geschafft, sei in der Königsklasse „Wunschdenken“, so Heynckes. Und auch nicht wirklich wichtig. Auch als Gruppensieger könnte man für die erste K.o.Runde dieses Jahr aller Voraussicht nach auch den FC Chelsea oder Juventus ziehen, die starken 2017erMeister ihrer Ligen. Schwer wird es im Achtelfinale also allemal.
Spiel beim BVB zählt noch mehr
Was für Heynckes und die Bayern zählt, ist das Duell mit Borussia Dortmund. Am Samstag (18.30 Uhr/Sky) will man den innerhalb von nur drei Spieltagen herausgejuppten Dreipunktevorsprung konservieren – und im Idealfall sogar ausbauen. „Wir haben jetzt einen Tag extra, den müssen wir gut nutzen, da wir sehr viele Spiele und einige Verletzte haben“, forderte Kapitän Arjen Robben in Glasgow, „am Samstag müssen wir noch mal alles reinlegen.“Vor der Länderspielpause im November, der letzten Ligaunterbrechung in der Hinrunde.
Heynckes sprach von „hoher Belastung“, gestand einen „Kraftverlust“in den letzten Wochen ein und urteilte über den glücklichen Sieg in Glasgow, bei dem die wackeren Hausherren, unentwegt angetrieben von ihren stimmgewaltigen Fans, mehr Torchancen hatten (12:8), milde: „Dass bei unserem momentanen Programm die Frische ein wenig gefehlt hat, ist ganz normal. Aber die Jungs haben sich richtig reingekniet.“Mit der Aufstellung im Celtic Park, Spitzname „Paradise“machte Heynckes deutlich, dass die Partie in Schottland eher zweitrangig für ihn war, eine Pflichterfüllung. Die Treffer erzielten Kingsley Coman und Javi Martínez. Das 1:0 war ein Zufallstor, begünstigt von der verwirrten Celtic-Abwehr nach dem langen Abschlag Sven Ulreichs. Dass der Franzose unfreiwillig vor dem Treffer zwischenzeitlich die Hand am Ball hatte, verwirrte Celtics Verteidiger zusätzlich. Der Siegtreffer zum 2:1 war ein (Kopfball-)Tor des Willens. Einen kleinen, aber zunächst heftig blutenden Cut an der Augenbraue für Martínez inklusive. Alles halb so wild. „It's only blood“, sagte Martínez. Nur Blut. Nur die Ruhe.
Heynckes brachte einige Spieler aus der zweiten Reihe, etwa in der Innenverteidigung Niklas Süle für Mats Hummels (leichte muskuläre Probleme, daher geschont) oder Rafinha anstelle von DauerbrennerRechtsverteidiger Joshua Kimmich. Auch Thiago, die Abteilung Fantasie im Mittelfeld, durfte sich schonen, dafür begannen Arturo Vidal und Corentin Tolisso. Vorne fehlte erstmals in dieser Saison Mittelstürmer Robert Lewandowski, er war zu Hause geblieben wegen seiner leichten Muskelverhärtung, erlitten am Samstag beim 2:0 gegen RB Leipzig – „eine Vorsichtsmaßnahme“, so Heynckes. In Dortmund dürfte der Torjäger wieder dabei sein. James Rodríguez gab am Partyabend der Gruselgestalten eine falsche Neun ab – eine schlechte Neun. Die Leihgabe von Real Madrid konnte im Sturmzentrum kaum Bälle behaupten. Wenn er einmal den Ball hatte, fehlten ihm Tempo und Zug zum Tor.
B-Team überzeugt kaum
Und so wird James in Dortmund wohl auf der Bank sitzen. Wie auch trotz ordentlicher Leistung Süle und Rafinha (hat bei weitem nicht die Qualität von Kimmich) sowie die Mittelfeld-Achter Arturo Vidal und Corentin Tolisso. Das doppelte Duell mit RB Leipzig sowie nun das Königsklassenspiel bei Celtic haben gezeigt, dass die beiden viel zu schwankend in ihren Leistungen sind. Javi Martínez und Sebastian Rudy dagegen geben dem Spiel der Bayern Sicherheit und Struktur.
Also gehören sie zum A-Team, das Heynckes nach nur dreieinhalb Wochen und sechs Partien gefunden hat. Anfangs rotierte der Trainer nur wenig. Er wollte seinen „Jungs“– wie er sie nennt – Vertrauen und Sicherheit zurückgeben. Operation gelungen. Nun schonte er seine A-Spieler für die wirklich heißen Matches wie in Dortmund. Abgesehen von Robben, der – ganz ungewohnt – schon sein siebtes Startelf-Match hintereinander bestritt und nach Schlusspfiff in Glasgow meinte, er sei „nun richtig kaputt“. Und trotzdem weiter hungrig. In das Dortmund-Spiel gehe Bayern mit „viel Selbstbewusstsein“, sagte er, „der Druck liegt nicht bei uns. Es kann für uns nur noch besser werden.“