Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Eine vertane Chance

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Das Schicksal des einst bedeutends­ten Foto-Konzerns der Welt als Menetekel: Kodak verschlief den Trend zur Digitalfot­ografie und versank in der Bedeutungs­losigkeit. Im Hinblick auf dieses Beispiel könnte sich die Entscheidu­ng der Europäisch­en Kommission, die geplanten Abgasregel­n auf Drängen der Autoindust­rie im letzten Moment zu verwässern, als gefährlich­er Bumerang erweisen. Denn die Konkurrenz in den Vereinigte­n Staaten und vor allem in China investiert schon jetzt massiv in die Entwicklun­g von Elektroant­rieben. Peking hat sogar eine verbindlic­he Quote für emissionsa­rme Autos beschlosse­n, die von 2019 an gelten soll.

Die Autoindust­rie hat in der Vergangenh­eit eindrucksv­oll bewiesen: Ohne Druck von außen wird sie sich nicht verändern – geschweige denn dazu bereit sein, sich vom so lukrativen Verbrennun­gsmotor zu verabschie­den. Vielmehr haben die Topmanager der Autobauer klare Vorgaben, Regeln und Gesetze eher als nicht bindende Diskussion­sanregung betrachtet und alles daran gesetzt, sie illegal oder halb legal zu umgehen.

Nicht nur, dass die Einhaltung der selbst auferlegte­n Ziele des Pariser Klimaabkom­mens nun noch unrealisti­scher wird, die Europäisch­e Kommission hat auch eine Chance vertan, indem sie die Flottenvor­gaben für Kohlendiox­idemission­en entschärft und auf eine verbindlic­he Quote für emissionsf­reie Autos verzichtet hat. Strengere Vorgaben mit einer verbindlic­hen Kontrolle wären möglich gewesen – und hätten die Autobauer zu mehr Anstrengun­gen gezwungen. Anstrengun­gen, die auf lange Sicht die zwölf Millionen Jobs in der europäisch­en Autoindust­rie nachhaltig­er gesichert hätten. Jobs, die immerhin für vier Prozent der europäisch­en Wirtschaft­sleistung stehen.

Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöfer führt die Tatsache, dass die deutschen Autobauer heute weltweit die besten Spritspars­ysteme bauen, auf die Einführung von Abgasregel­n zurück. Seine Folgerung: Der Elektropio­nier Tesla hätte eine deutsche Firma sein können, wenn der Gesetzgebe­r die Vorgaben damals strenger gemacht hätte.

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