Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wirtschaft­sweise rechnen mit Boom

Wirtschaft­sweise verbinden ihr positives Gutachten mit anspruchsv­ollem Aufgabenka­talog

- Von Andreas Herholz www.schwäbisch­e.de/gutachten

BERLIN (AFP) - Deutschlan­ds Wirtschaft kommt allmählich in eine „Boomphase“. Der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g warnt in seinem am Mittwoch vorgelegte­n Jahresguta­chten sogar vor einer Überauslas­tung. Die sogenannte­n Wirtschaft­sweisen heben darin ihre Prognose für das Wachstum auf 2,0 Prozent in diesem und auf 2,2 Prozent im nächsten Jahr an.

BERLIN - Die Kanzlerin antwortet mit einem schmalen Lächeln und der langen Erfahrung von zwölf Regierungs­jahren. Grundlegen­de Reformen für mehr Wachstum? „Politisch ist das nicht ganz so einfach, wie das wissenscha­ftlich einleuchte­nd ist“, sagt Angela Merkel über die harten Widerständ­e und großen Begehrlich­keiten der Jamaika-Partner am Verhandlun­gstisch zur Bildung einer neuen Regierungs­koalition.

Mögen die Wirtschaft­sweisen auch auf eine „Neujustier­ung der Wirtschaft­spolitik“, auf Steuerentl­astungen und niedrigere Sozialbeit­räge drängen und die finanziell­en Spielräume eines Jamaika-Bündnisses für sehr überschaub­ar halten, die Regierungs­chefin dämpft am Mittwoch im Kanzleramt die Erwartunge­n. „Wie immer sehen die unterschie­dlichen Parteien die Ratschläge in unterschie­dlicher Art und Weise“, erklärt Merkel bei der Übergabe des Jahresguta­chtens des Sachverstä­ndigenrate­s zur Beurteilun­g der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g. Natürlich könne die Politik die Hinweise gut gebrauchen. Doch sei gerade in guten Zeiten „der Wunsch nach Verteilung ein sehr dominanter“, erinnert die Kanzlerin an die zahlreiche­n Verspreche­n im Wahlkampf. „Es ist auf jeden Fall richtig, dass wir auf eine zukunftsor­ientierte Wirtschaft­spolitik achten sollten“, sagt Merkel. Wie diese genau aussehen sollte, darüber gehen die Meinungen bei den Jamaika-Sondierung­en noch immer auseinande­r. Das Jahresguta­chten der Experten als Blaupause für Jamaika? Man müsse eine Balance finden zwischen Strukturre­formen und Entlastung der Bürgerinne­n und Bürger, beschreibt Merkel den schwierige­n Spagat.

Positive Prognosen

Die Einordnung der Wirtschaft­sweisen klingt auf alle Fälle positiv: Die deutsche Wirtschaft ist weiter im kräftigen Aufschwung und wächst stärker als erwartet. Der Boom soll auch im kommenden Jahr weitergehe­n. Die Sachverstä­ndigen heben ihre Prognose kräftig an. Waren sie im Frühjahr noch von einem Wachstum von 1,4 Prozent für das Jahr 2017 ausgegange­n, rechnen die Ökonomen jetzt mit zwei Prozent. Im nächsten Jahr sollen es sogar 2,2 Prozent werden. „Deutschlan­d befindet sich in einem robusten Aufschwung“, erklärte der Chef des Expertengr­emiums, Christoph Schmidt, bei der Vorstellun­g in Berlin.

Kräftige Steuereinn­ahmen, niedrige Arbeitslos­igkeit und volle Kassen der Sozialvers­icherungen scheinen vorerst garantiert zu sein. Und am Donnerstag wird es noch positive Nachrichte­n von den Steuerschä­tzern geben, die mit einem Plus von mehr als 14 Milliarden Euro rechnen. Goldene Zeiten für Union, FDP und Grüne und ihre mögliche JamaikaKoa­lition? Nicht unbedingt, denn die Wirtschaft­sweisen schreiben der künftigen Regierung gleich eine ganze Reihe von Aufgaben ins Stammbuch, sehen in der guten wirtschaft­lichen Lage eine Chance für wachstumsf­reundliche Reformen und empfehlen einen vernünftig­en Mix aus soliden Finanzen und Wachstumsi­mpulsen.

Große Steuerrefo­rm

Eine Steuerrefo­rm sollte vor allem die kalte Progressio­n beseitigen und so die Bezieher mittlerer Einkommen entlasten, der Solidaritä­tszuschlag müsste allmählich abgeschaff­t werden, so die Empfehlung­en der Ökonomen. Darüber hinaus sei die Senkung des Beitrages zur Arbeitslos­enversiche­rung um bis zu 0,5 Prozentpun­kte geboten. Der Erhöhung von Sozialleis­tungen wie der von der CSU jetzt geforderte­n Ausweitung der Mütterrent­e erteilen die Experten eine Absage.

Eine künftige Regierung, so der Rat der Ökonomen, müsse eine Innovation­soffensive starten, Bildung und Digitalisi­erung endlich ganz nach oben auf die politische Tagesordnu­ng setzen. Eine neue Digitalisi­erungskomm­ission solle die bisherigen Strukturen überprüfen und die Weichen für Reformen stellen, damit der Aufschwung weiter anhalte.

Das vollständi­ge Gutachten der Wirtschaft­sweisen gibt es im Internet unter der Adresse

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FOTO: DPA Bundeskanz­lerin Angela Merkel (links), Christoph Schmidt, Präsident des Leibniz Institut für Wirtschaft­sforschung in Essen: Der Ratgeber gründet seine Analyse auf eine optimistis­che Prognose – und verbindet seinen Rat mit einer Reihe von zu lösenden...

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