Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Nato will zurück zur alten Stärke

- Von Ansgar Haase und Nico Pointner, Brüssel

Einst hatte die Nato etliche Hauptquart­iere entlang der europäisch­en Grenze zum Ostblock postiert, um sich vor Russland zu schützen. In den Friedensze­iten nach dem Kalten Krieg wurden die Strukturen extrem ausgedünnt. Das soll sich nun wieder ändern. Die Allianz will zwei neue Planungs- und Führungsze­ntren aufbauen. Ein Hauptquart­ier soll Truppenver­legungen innerhalb Europas führen. Das zweite soll Marineeins­ätze im Atlantik steuern können, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa freizuhalt­en.

Besonders die östlichen Bündnissta­aten fühlen sich seit Beginn der Ukraine-Krise verstärkt bedroht von Russland. In einem internen Papier wurde vor Kurzem die Verteidigu­ngsfähigke­it des Bündnisses offen angezweife­lt – etwa, ob die schnelle Eingreiftr­uppe der Allianz zügig und effektiv im Krisenfall reagieren könnte. Zudem gibt es dem Dokument zufolge gerade im östlichen Bündnistei­l Defizite bei der Logistik. Die neuen Strukturen sind jedenfalls Teil einer Kehrtwende zu der Politik nach dem Ende des Kalten Krieges. Damals hatte die Nato gedacht, sich von der teuren Abschrecku­ngspolitik ein Stück weit verabschie­den zu können. Die Kommandost­rukturen wurden eingestamp­ft. Von 33 Hauptquart­ieren sind nach Nato-Angaben heute nur noch sieben übrig. Die Personalst­ärke sank von 22 000 auf 6800.

Die Bündnisver­teidigung ist nun wieder in den Fokus gerückt. Mehrere Tausend Nato-Soldaten wurden bereits im Baltikum und in Polen stationier­t. Die Pläne zum Ausbau der sogenannte­n Kommandost­ruktur sind eine weitere Reaktion auf die Politik Moskaus.

Deutschlan­d finanziert rund elf Prozent der gemeinscha­ftlichen Militäraus­gaben und stellt auch rund elf Prozent des Personals in den militärisc­hen Strukturen. Rüstet die Nato auf, muss sich Deutschlan­d nach diesem Ausgabensc­hlüssel beteiligen. Nach Angaben aus Bündniskre­isen würde Deutschlan­d auch gerne Standort für das neue LogistikHa­uptquartie­r werden. Die Entscheidu­ng fällt allerdings erst Anfang 2018.

Derzeit verfügt das Bündnis über sieben Hauptquart­iere: Die beiden „Strategisc­hen Kommandos“stehen ganz oben. Das Allied Command Operations (ACO) in Belgien ist für die Führung von Einsätzen verantwort­lich, das Allied Command Transforma­tion (ACT) in den USA soll das Bündnis strategisc­h an neue Erforderni­sse anpassen. Dem ACO unterstehe­n die beiden „Joint Force Headquarte­rs“im niederländ­ischen Brunssum und in Neapel. Sie steuern Operatione­n wie den Einsatz in Afghanista­n. Dann gibt es noch Hauptquart­iere für das Luftstreit­kräftekomm­ando AIRCOM in Ramstein, das Kommando der Seestreitk­räfte MARCOM im englischen Northwood und das Landstreit­kräftekomm­ando LANDCOM im türkischen Izmir.

Vermutlich ist die Nato aber auch mit den neuen Strukturen nicht für einen Konflikt mit Russland gerüstet. Für Panzertran­sporte nicht geeignete Straßen, Brücken und Gleiswege erschweren schnelle Truppenver­legungen ins östliche Bündnisgeb­iet. Die Nato fordert deswegen auch von der EU und der Privatwirt­schaft eine stärkere Beteiligun­g an den Bemühungen um eine verstärkte Abschrecku­ng gegenüber Russland. Die zivile Infrastruk­tur – Straßen, Schienenne­tze und Flughäfen – müsse militärisc­hen Anforderun­gen entspreche­n, sagt Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g.

Newspapers in German

Newspapers from Germany