Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Die Nato will zurück zur alten Stärke
Einst hatte die Nato etliche Hauptquartiere entlang der europäischen Grenze zum Ostblock postiert, um sich vor Russland zu schützen. In den Friedenszeiten nach dem Kalten Krieg wurden die Strukturen extrem ausgedünnt. Das soll sich nun wieder ändern. Die Allianz will zwei neue Planungs- und Führungszentren aufbauen. Ein Hauptquartier soll Truppenverlegungen innerhalb Europas führen. Das zweite soll Marineeinsätze im Atlantik steuern können, um im Kriegsfall den Seeweg zwischen den USA und Europa freizuhalten.
Besonders die östlichen Bündnisstaaten fühlen sich seit Beginn der Ukraine-Krise verstärkt bedroht von Russland. In einem internen Papier wurde vor Kurzem die Verteidigungsfähigkeit des Bündnisses offen angezweifelt – etwa, ob die schnelle Eingreiftruppe der Allianz zügig und effektiv im Krisenfall reagieren könnte. Zudem gibt es dem Dokument zufolge gerade im östlichen Bündnisteil Defizite bei der Logistik. Die neuen Strukturen sind jedenfalls Teil einer Kehrtwende zu der Politik nach dem Ende des Kalten Krieges. Damals hatte die Nato gedacht, sich von der teuren Abschreckungspolitik ein Stück weit verabschieden zu können. Die Kommandostrukturen wurden eingestampft. Von 33 Hauptquartieren sind nach Nato-Angaben heute nur noch sieben übrig. Die Personalstärke sank von 22 000 auf 6800.
Die Bündnisverteidigung ist nun wieder in den Fokus gerückt. Mehrere Tausend Nato-Soldaten wurden bereits im Baltikum und in Polen stationiert. Die Pläne zum Ausbau der sogenannten Kommandostruktur sind eine weitere Reaktion auf die Politik Moskaus.
Deutschland finanziert rund elf Prozent der gemeinschaftlichen Militärausgaben und stellt auch rund elf Prozent des Personals in den militärischen Strukturen. Rüstet die Nato auf, muss sich Deutschland nach diesem Ausgabenschlüssel beteiligen. Nach Angaben aus Bündniskreisen würde Deutschland auch gerne Standort für das neue LogistikHauptquartier werden. Die Entscheidung fällt allerdings erst Anfang 2018.
Derzeit verfügt das Bündnis über sieben Hauptquartiere: Die beiden „Strategischen Kommandos“stehen ganz oben. Das Allied Command Operations (ACO) in Belgien ist für die Führung von Einsätzen verantwortlich, das Allied Command Transformation (ACT) in den USA soll das Bündnis strategisch an neue Erfordernisse anpassen. Dem ACO unterstehen die beiden „Joint Force Headquarters“im niederländischen Brunssum und in Neapel. Sie steuern Operationen wie den Einsatz in Afghanistan. Dann gibt es noch Hauptquartiere für das Luftstreitkräftekommando AIRCOM in Ramstein, das Kommando der Seestreitkräfte MARCOM im englischen Northwood und das Landstreitkräftekommando LANDCOM im türkischen Izmir.
Vermutlich ist die Nato aber auch mit den neuen Strukturen nicht für einen Konflikt mit Russland gerüstet. Für Panzertransporte nicht geeignete Straßen, Brücken und Gleiswege erschweren schnelle Truppenverlegungen ins östliche Bündnisgebiet. Die Nato fordert deswegen auch von der EU und der Privatwirtschaft eine stärkere Beteiligung an den Bemühungen um eine verstärkte Abschreckung gegenüber Russland. Die zivile Infrastruktur – Straßen, Schienennetze und Flughäfen – müsse militärischen Anforderungen entsprechen, sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.