Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
79 Kerzen erinnern an die Nacht vor 79 Jahren
Besinnliche Gedenkstunde auf dem jüdischen Friedhof
BAD BUCHAU - Alljährlich am 9. November wird auch auf dem Bad Buchauer jüdischen Friedhof der Opfer der NS-Gewaltherrschaft gedacht. Vor 79 Jahren brannte in Bad Buchau die Synagoge und jüdische Mitbürger wurden gedemütigt, beleidigt, verschleppt. Später auch in den Konzentrationslagern ermordet.
Zahlreiche Mitbürger, darunter Sigge Moses, der seine Kindheit in Buchau verbrachte, kamen zu der Gedenkfeier mit der festen Überzeugung, dass so etwas wie vor 79 Jahren nie mehr geschehen darf. 79 Kerzen in Form eines Davidsterns, für jedes Jahr eine, flackerten vor der Gedenkstele. Zwei Musikerinnen der Stadtkapelle stimmten mit fremdartig klingender Klarinettenmelodie auf die Gedenkstunde ein, bevor Charlotte Mayenberger das Gedicht „Schlaflied für Daniel“von Siegfried Einstein zu Gehör brachte.
Kritische Sicht auf Martin Luther
Pfarrer Markus Lutz ging in seiner Ansprache auf das Lutherjahr ein. An Luthers Geburtstag brannten in Deutschland die Synagogen. Luther sei damals der größte Antisemit seiner Zeit geworden. Es sei für ihn, so Pfarrer Lutz, als evangelischer Theologe furchtbar zu wissen, dass Martin Luther, der in vielem sehr große Verdienste hatte, gegenüber den Juden in seinen letzten Lebensjahren von Hass zerfressen gehetzt habe. Das sei nicht zu verstehen und auch nicht zu entschuldigen. Man könne aber daran mitarbeiten, dass so etwas nie mehr geschehen könne.
Bürgermeister Peter Diesch las aus einem Brief von Sigge Einstein an Siegbert Einstein vor. Einstein schildert darin seine Eindrücke über die Pogromnacht in Buchau selbst. Die Buchauer, voran der damalige Bürgermeister Oechsle, hätten die Löscharbeiten an der brennenden Synagoge tatkräftig unterstützt. Und auch die Buchauer „Landjäger“hätten sich persönlich eingesetzt. Aus den Lebenserinnerungen von Moritz Vierfelder, ein angesehener Bürger Buchaus, lasen Mitglieder des Arbeitskreises Juden in Buchau einige Passagen vor, in denen Vierfelder seine Eindrücke von damals festhielt. Nachdenklich wirkten diese Worte auf die Anwesenden. Zeigten sie doch wie grausam diese Zeit für die Betroffenen gewesen sein musste.
Kaddisch, eines der ältesten jüdischen Totengebete, verlieh der Gedenkstunde eine besondere Note. „Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt ...“, das Lied der Hoffnung von Ben Chorim wurde zum Abschluss, begleitet von den zwei Klarinetten, gemeinsam gesungen, und die Besucher legten danach nach alter jüdischer Tradition einen kleinen Stein des Gedenkens auf den Stein beim Mahnmal mit den Namen der Shoa-Opfer nieder. Bürgermeister Diesch dankte den Teilnehmern der Gedenkstunde und der Initiatorin Charlotte Mayenberger.