Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Buch würdigt das Leben von Franz Jung
Helga Jung-Paarmann schreibt über ihren Vater mit beachtlicher Distanz.
BAD SAULGAU - Die Tochter schreibt über den Vater: Helga Jung-Paarmann hat eine Biographie über ihren Vater Franz Jung veröffentlicht. Viele kennen Franz Jung als Begründer der Freien Wählervereinigung, als deren Vertreter er viele Jahre in Gemeinderat und Kreistag saß. Das Buch zeichnet sich durch eine gelungene Verzahnung von sehr Persönlichem und fast schon Privatem mit lokaler Zeitgeschichte aus. Es ehrt die Autorin, dass sie nicht ganz so glänzende Kapitel aus der Zeit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten nicht ausgespart hat. Die Stadt hat das vom Grafikbüro Müller-Hocke gestaltete Buch mithilfe von Mitteln der Bürgerstiftung und der Freien Wähler Bad Saulgau herausgegeben. Bürgermeisterin Doris Schröter hat das Vorwort verfasst.
Die Sportstadt Bad Saulgau ist mit dem Namen Franz Jung eng verbunden. Ohne ihn als öffentliche Person wäre die sportliche Infrastruktur nicht so geworden, wie wir sie heute kennen. Schon kurz nach dem Krieg war Franz Jung Mitinitiator des Stadionbaus in Saulgau, er beschaffte Finanzmittel für den Bau der heutigen Stadthalle. Heute würde man sagen, er betrieb Lobbyarbeit – und das sehr erfolgreich. Für den Bau eines Hallenbades setzte er sich ebenfalls ein. Im Jahr 1970 wurde er zum Vorsitzenden des Fördervereins gewählt, der dieses Projekt voranbringen sollte. Das Hallenbad wurde 1977 eingeweiht. Es sollte zusammen mit dem Freibad an der Sießener Säge ein Ersatz für das in die Jahre gekommene Freibad auf dem Gelände des heutigen Chalais-Platzes sein. Es wurde damals geschlossen. 1971 initiierte er die Gründung der Freien Wählervereinigung in Bad Saulgau und wirkte mit an ihrem Aufstieg zur zweitstärksten Fraktion im Gemeinderat der Stadt.
Ausgebildete Historikerin
Das alles hat Dr. Helga Jung-Paarmann in ihrem 100 Seiten starken Buch über ihren Vater aufgeführt. Die Tochter von Franz Jung ist im Jahr 1941 geboren und hat Geschichte, Politikwissenschaft und Germanistik studiert. Sie unterrichtete, wie es im Buch steht, von 1977 bis 2004 an der Universität Bielefeld und am Oberstufen-Kolleg Bielefeld. Die ausgebildete Historikerin hat mit der Verknüpfung von persönlichen Details und öffentlichem Wirken einen in sehr großen Teilen vergnüglichen Lesestoff geschaffen. Dennoch bleibt sie bei Nachweisen und Quellenhinweisen professionell.
Zwar ist das Eingangskapitel über die Herkunft aus Bad Saulgau durch die Ansammlung vieler Namen ermüdend zu lesen. Doch schon das folgende Kapitel „Kindheit und Jugend“gibt einen erhellenden Aufschluss über die Kindheit Franz Jungs als Einzelkind und wohl auch als Einzelgänger in Saulgau. In der elterlichen Schreinerei lernt er das Schreinerhandwerk. Von der Mutter aber ging die Initiative aus, ihn auf das Lehrerseminar in Bad Saulgau zu schicken. Und schon damals habe der Sport neben er Schule für Franz Jung eine große Rolle gespielt.
Spürbare Distanz
Beachtlich ist die spürbare Distanz der Autorin, die auch über solche Abschnitte schreibt, über die Betroffene lieber nicht so viele Worte verlieren. Während der Zeit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten scheint Franz Jung eher ein Mitläufer gewesen zu sein. Als Jungvolkführer bekam er zwar Schwierigkeiten mit einem Vorgesetzten, weil er während eines Lagers in Hoßkirch den Sonntagsgottesdienst besucht hatte. Doch seine sportliche Kompetenz verschaffte ihm während seiner Militärzeit Privilegien. Franz Jung hatte sich für die Aufnahme in die SS beworben, ohne das Bewerbungsverfahren ganz abgeschlossen zu haben und glaubte lange Zeit an das auch von den Nationalsozialisten erhoffte siegreiche Ende des Krieges. Die literarische-poetische Seite von Franz Jung, sein Konflikt mit dem evangelisch-pietistischen Elternhaus seiner Frau Gertrud werden ebenfalls aufgearbeitet. Nach überstandener Entnazifizierung wurde Franz Jung Sportlehrer am Lehreroberschule in Saulgau, dem späteren Aufbaugymnasium. Kaum mehr bekannt dürfte sein, dass die Jungs in den 50er- und 60er-Jahren ein Sportgeschäft führten.
Das Buch kann zum Preis von 12 Euro im Bürgerbüro im Rathaus in Bad Saulgau, und zu den jeweiligen Öffnungszeiten im Stadtmuseum und im Stadtarchiv gekauft werden.