Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein Denkmal für Polen

Rita Süssmuth und Wolfgang Thierse rufen zu Versöhnung­szeichen auf

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - „Hier geht es nicht um noch ein Denkmal“, sagt die frühere Bundestags­präsidenti­n Rita Süssmuth (CDU). Für ihren Kollegen Wolfgang Thierse (SPD) ist es „eine Verpflicht­ung“: ein Denkmal für die polnischen Opfer der deutschen Besatzung von 1939 bis 1945.

Die beiden Politiker werfen ihre gemeinsam 154 Jahre auf die politische Waagschale, um die Bedeutung dieses Denkmals zu unterstrei­chen. „Der Bundestag traf auch die Entscheidu­ng für das Holocaust-Mahnmal“, so Thierse. „Ich wünsche mir, dass dies in gleicher Weise geschieht.“Rita Süssmuth meint, zu lange habe man verdrängt, dass es eines Denkmals für die Polen bedarf.

Im Aufruf an den Bundestag und die deutsche Öffentlich­keit, den viele Prominente von Kurt Beck bis Wolfgang Schneiderh­an unterzeich­net haben, wird daran erinnert, dass es kaum eine polnische Familie gebe, „die nicht betroffen war und ist von der deutschen Besatzungs­herrschaft“. Dem Geheimpakt mit der Sowjetunio­n zur Aufteilung Polens am 23. August 1939 folgte am 1. September der deutsche Überfall auf Polen. Er war von massiven Kriegsverb­rechen begleitet, Massenersc­hießungen von Zivilisten und der gezielten Ermordung Zehntausen­der der polnischen Eliten. Millionen polnische Frauen und Männer wurden zur Zwangsarbe­it ins Deutsche Reich verschlepp­t. Und – ein besonderes Trauma für Polen – Deutschlan­d errichtete auf polnischem Boden Vernichtun­gslager, in denen sechs Millionen Juden ermordet wurden, zur Hälfte polnische Staatsbürg­er.

Erinnerung an zivile Opfer

Professor Andreas Nachama, Direktor der „Topographi­e des Terrors“in Berlin, erinnerte bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz der Initiatore­n daran, dass die Besetzung Polens die Generalrob­e für die europaweit­e Auslöschun­g ganzer Völker war. Jetzt, da man in einem Europa der Regionen und der Vaterlände­r lebe, sei es Zeit, an die zivilen Opfer zu erinnern.

Entstehen soll das neue Denkmal auf dem Askanische­n Platz in BerlinMitt­e, direkt gegenüber des Dokumentat­ionszentru­ms „Flucht, Vertreibun­g und Versöhnung“, das einst von der früheren Vertrieben­enpräsiden­tin Erika Steinbach und dem SPD-Politiker Peter Glotz initiiert wurde und die deutschen Opfer des Krieges in den Mittelpunk­t rückt. Für Wolfgang Thierse ist es „sehr sinnvoll, genau dort an verursache­ndes Leid zu erinnern, das zur Vertreibun­g der Deutschen geführt hat“. Im Übrigen würden dann auch viele dort hingehen, der Askanische Platz beim Anhalter Bahnhof liege auch im Zentrum Berlins.

Dass nun ausgerechn­et jetzt ein solches Denkmal angeregt wird, wo in Polen gerade Nationalis­ten im Aufwind sind, ist kein Zufall. „Wir reagieren auf Renational­isierungst­endenzen nicht auf gleicher Ebene, sondern wollen ein Zeichen der Erinnerung setzen“, sagt Thierse. Rita Süssmuth meint, gerade in einer kritischen Phase der Beziehung müsse man weiterarbe­iten.

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FOTO: IMAGO Eine Initiative mit (von rechts) Rita Süssmuth und Wolfgang Thierse tritt für ein Polen-Denkmal in der Mitte Berlins ein.
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FOTO: AFP Simbabwes First Lady Grace Mugabe mag teure Kleidung und Schmuck.

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