Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Das Ergebnis zählt, nicht die Lautstärke“
Annette Widmann-Mauz über Sondierungsverhandlungen, die Lage ihrer Partei und den Frauenmangel der CDU
BERLIN - „Geschwächte Partner sind schwierige Partner“, sagt Annette Widmann-Mauz, die an den Sondierungsverhandlungen in Berlin für die CDU teilnahm. Am Freitag beginnt in Berlin eine zweitägige Klausurtagung der CDU. Sabine Lennartz fragte Annette Widmann-Mauz zur Lage ihrer Partei.
Frau Widmann-Mauz, warum ist die CDU so blass geblieben in den Sondierungswochen?
Wir müssen unser Wahlprogramm nicht jeden Tag wie eine Monstranz vor uns hertragen. Wichtig ist für uns, dass die Inhalte der CDU eine künftige Regierung prägen. Das Ergebnis zählt, nicht die Lautstärke.
Es wurde aber nicht deutlich: Wofür steht die CDU?
Uns geht es vor allem darum, dass unser Land wirtschaftlich gut aufgestellt ist und stark bleibt. Das ist die Grundlage für soziale Sicherheit und ermöglicht uns erst, Herausforderungen vom Klimaschutz bis zu Bildung und Digitalisierung zu bewältigen. Außerdem zählen für uns finanzielle Solidität ohne neue Schulden und die Entlastung von Familien in der ganzen Breite.
Wie wirkt sich die Krise der CSU aus?
Geschwächte Partner sind meist schwierigere Partner. Aber auch die Grünen und die FDP kommen nicht so stark daher, wie mancher Auftritt vermitteln will. Wer am Anfang besonders lautstark poltert, muss zum Ende hin deutlich leiser werden. Deshalb ist es gut, dass die CDU sehr verantwortungsbewusst die großen Linien des Landes im Blick und das Steuer in der Hand hält.
Nicht nur die CSU ist angeschlagen, die CDU auch. Viele machen Angela Merkel für verheerende Verluste bei der Wahl verantwortlich. Wird das noch diskutiert?
Natürlich diskutieren wir das Wahlergebnis, wir analysieren unsere Verluste von der Bundesvorstands-Klausur in Berlin bis in die Kreisverbände und fragen uns, wo unsere Argumente nicht angekommen sind. Aber das darf uns nicht lähmen, denn die Wähler haben uns die größte Verantwortung übertragen. Wir dürfen in der Analyse nicht erstarren, unser Land will gut regiert werden.
Haben Sie denn Konsequenzen aus der Analyse gezogen?
Die Bürger erwarten zu Recht klare Lösungen. Die Positionierung der Union nach der Wahl zu Flüchtlingsfragen war richtig. Das hätten wir vielleicht auch früher erreichen können. Konkrete Vereinbarungen mit den Parteien, die über den Bundesrat zum Beispiel zu sicheren Herkunftsstaaten im Maghreb mitentscheiden, müssen jetzt endlich folgen.
Im neuen Bundestag sind keine 20 Prozent der Unions-Abgeordneten Frauen. Wie konnten Sie als Vorsitzende der Frauen Union das zulassen?
Wir sind angetreten und haben gekämpft. Die Frauenrepräsentanz resultiert aus der Tatsache, dass die Union fast alle Direktmandate in der Bundesre-
publik gewonnen hat, in BadenWürttemberg und Bayern ausnahmslos alle. Da kamen die Landeslisten erst gar nicht zum Zug, die in der CDU zu einem Drittel mit Frauen besetzt sein sollten. Selbst 100 Prozent Frauenanteil oder wie in Baden-Württemberg 55 Prozent, hätten und haben da nichts genutzt.
Aus Baden-Württemberg gibt es genau drei weibliche CDU-Abgeordnete. Wie wollen Sie denn mehr Frauen als Direktkandidatinnen durchbringen?
Wahlkreiskandidaten kann man nicht teilen oder dritteln. Deshalb müssen wir neue Instrumente entwickeln und die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Politik auch auf der örtlichen Ebene für Frauen interessanter wird und sie sich auch Kampfkandidaturen stellen. In den CDUBezirken und auf Landesebene müssen wir unsere Personalpolitik noch strategischer weiterentwickeln. Die Frauen Union unterstützt durch Mentoring-Programme systematisch den Erfahrungsaustausch. Wir stärken Netzwerke unter Frauen und unterstützen die Vernetzung, die dauerhaft auch nicht auf Frauen beschränkt bleiben darf. Außerdem müssen wir auf die Vereinbarkeit von Familie, Erwerbsarbeit und Politik im Ehrenamt achten.
Angela Merkel hat angekündigt, dass sie gleich viele Männer und Frauen im Kabinett haben will. Was meinen Sie, schafft sie das?
Wenn sie eine solche Ankündigung macht, dann sicher mit dem festen Willen und im Bewusstsein, dass ihr das auch gelingen wird. Die Frauen Union wird sie dabei jedenfalls tatkräftig unterstützen.
Sind Sie dabei?
Diese Frage kann nur die Bundeskanzlerin beantworten. Unabhängig von Personen ist es für die CDU Baden-Württemberg wichtig, im Kabinett wieder einen Bundesminister zu stellen.
Was muss die neue Bundesregierung vorrangig für Frauen tun?
Sich um die Lebenswirklichkeit von Frauen kümmern. Frauen brauchen finanzielle Sicherheit, Zeit und eine gute Infrastruktur, wenn sie sich in der Familie um Kinder und Pflege kümmern und dies mit dem Beruf vereinbaren wollen. Dafür müssen wir ein gutes Paket schnüren. Das heißt, Barrieren abbauen, beginnend beim Kindergeld und im Steuerrecht über gute bedarfsgerechte Kinderbetreuung bis ins Grundschulalter bis hin zu mehr Fairness für Frauen in Führungspositionen in unserer Wirtschaft. Unternehmen, die sich flexiblen Zielvorgaben vorsätzlich verweigern, provozieren am Ende rechtliche Sanktionen.
Wollen Sie mehr Fairness im Steuerrecht durch ein neues Splitting erreichen?
Die steuerliche Entlastung des Staates für Ehepaare durch das Ehegattensplitting muss erhalten bleiben. Jetzt geht es um die gerechte Aufteilung der Steuerlast über die Steuerklassen zwischen den Partnern. Es kann doch nicht sein, dass der Partner mit dem kleineren Einkommen in der Steuerklasse V, zumeist die Frau, sogar die höhere Steuerlast trägt. Gerecht ist es, die Partner proportional zu ihrem Einkommen auch an der gemeinsamen Steuerlast zu beteiligen. Das zahlt sich auch beim Elterngeld, Arbeitslosengeld und Krankengeld für die Frauen aus.