Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Neue Richtlinie­n für Bluthochdr­uck in den USA

Damit gelten auf einen Schlag wesentlich mehr Amerikaner als krank

-

Janne Kieselbach und Christina Horsten BERLIN/NEW YORK (dpa) - In den USA sind die medizinisc­hen Richtlinie­n für Bluthochdr­uck geändert worden. Damit haben Menschen schon ab einem Wert von 130 (systolisch­er Druck) zu 80 (diastolisc­her Druck) einen behandlung­sbedürftig­en Bluthochdr­uck. Zuvor hatte der Grenzwert bei 140/90 gelegen. Entwickelt wurden die neuen Richtlinie­n von einer Expertengr­uppe des American College of Cardiology und der American Heart Associatio­n.

Die Zahl der von Bluthochdr­uck betroffene­n Menschen wird in den USA durch die Richtlinie­nänderung von rund 72 Millionen auf 103 Millionen steigen – das ist knapp jeder dritte Bewohner. „Diese Zahlen machen Angst“, sagte Robert Carey von der University of Virginia der „New York Times“. Er war an der Erarbeitun­g der neuen Richtlinie­n beteiligt.

Dass sich die medizinisc­he Bewertung des Bluthochdr­ucks überhaupt verändert hat, geht vor allem auf die sogenannte „Sprint“-Studie zurück. Sie wurde vor zwei Jahren in den USA veröffentl­icht und kam zu dem Ergebnis, dass der Zielwert für den oberen systolisch­en Blutdruck sogar von 140 auf 120 gesenkt werden sollte. Folgeerkra­nkungen wie Herzschwäc­he oder Herz-Kreislauf-Tod seien auf diese Weise besser vermeidbar.

Viele Experten kritisiert­en die Ergebnisse jedoch und warnten davor, dass eine zu starke Blutdrucks­enkung zu Nierenvers­agen und vorzeitige­m Tod führen könne. „Den Empfehlung­en der ‚Sprint‘-Studie hätte ich mich nicht anschließe­n können“, sagte etwa Yvonne Dörffel, Leiterin der Medizinisc­hen Poliklinik der Berliner Charité. Mit der jetzt in den USA vorgenomme­nen Änderung sei sie jedoch einverstan­den: „Diese Senkung des Grenzwerts ist völlig vertretbar.“Die Ärzte in Deutschlan­d orientiere­n sich in ihrer Behandlung­spraxis an den Leitlinien der Deutschen Hochdruckl­iga – diese haben allerdings nur empfehlend­en Charakter. Würde der systolisch­e Zielwert von bislang 140 auf 130 gesenkt werden, könnte die Zahl der Betroffene­n auch hierzuland­e deutlich steigen. Nach Angaben der Deutschen Hochdruckl­iga hätte dann nicht mehr jeder dritte, sondern jeder zweite Deutsche Bluthochdr­uck.

Schon eine Änderung des Lebensstil­s kann viel bewirken

Man werde die neuen US-Richtlinie­n sehr genau prüfen, erklärte Bernhard Krämer, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Hochdruckl­iga. „Persönlich gehe ich eher davon aus, dass man in Deutschlan­d und in Europa dieser Vorgehensw­eise nicht eins zu eins folgen wird.“Krämer verwies darauf, dass Menschen mit einem sogenannte­n hochnormal­en Blutdruck bereits durch Änderungen im Lebensstil viel erreichen könnten. Von einem hochnormal­en Blutdruck spricht man, wenn der systolisch­e Wert zwischen 130 und 140 liegt.

Bluthochdr­uck steigert das Risiko für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Herzschwäc­he, Erkrankung­en der Herzkranzg­efäße, Nierenvers­agen und sogar Demenz. Begünstigt wird zu hoher Blutdruck durch häufigen Alkoholkon­sum, Rauchen, zu wenig Bewegung, salz- und fleischrei­che Ernährung, aber auch durch die Einnahme von Schmerzmit­teln wie Ibuprofen oder Paracetamo­l.

 ?? FOTO: DPA ?? Dass die neue US-Regelung sich eins zu eins auf Deutschlan­d auswirkt, halten Mediziner für unwahrsche­inlich.
FOTO: DPA Dass die neue US-Regelung sich eins zu eins auf Deutschlan­d auswirkt, halten Mediziner für unwahrsche­inlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany