Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Gelähmte können mit Gedanken einen Löffel steuern
Dr. Surjo Soekadar spricht in Bad Saulgau über Möglichkeiten und Gefahren von Gehirn-Maschine-Schnittstellen
BAD SAULGAU - Mit Dr. Surjo Soekadar hat im Rahmen des sechsten Unternehmerabends ein weltweit gefragter Referent in Bad Saulgau Halt gemacht. Der Tübinger Neurowissenschaftler und Psychiater befasst sich mit zukunftsweisenden Technologien. Dazu zählen etwa GehirnMaschine-Schnittstellen, die in der Behandlung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen zum Einsatz kommen.
Ilona Boos, Fachbereichsleiterin Wirtschaft bei der Stadtverwaltung, hat im Autoradio ein Interview mit dem 40-jährigen Wissenschaftler gehört. „Da hab ich gleich gedacht, das wäre doch was für den Unternehmerabend“. Gesagt, getan. Der Wissenschaftler mit indonesisch-tschechischen Wurzeln hat die Einladung gerne angenommen und dafür gesorgt, dass der Lichthof im Alten Kloster am Montagabend bis auf den letzten Platz belegt war.
Lassen sich mit moderner Technologie Gedanken lesen? Das ist im Grunde die Idee hinter den GehirnMaschine-Schnittstellen, die auf den Tübinger Neuropsychologen Niels Birbaumer zurück gehen und von Dr. Surjo Soekadar umfassend weiterentwickelt wurde. Beispiel: Ein Querschnittsgelähmter oder ein Schlaganfall-Patient hat die Absicht, einen Löffel in die Hand zu nehmen. Diese „Absicht“wird an der Kopfoberfläche im Mikrovoltbereich gemessen, vom Computer in Echtzeit übersetzt und per Steuersignal an die Apparatur am gelähmten Arm – ein sogenanntes hirngesteuertes Exoskelett - weitergeleitet. Dass Patienten, die ihren Arm jahrelang nicht bewegen konnten, in diesem Moment von „Glücksgefühlen überflutet werden“, ist leicht nachzuvollziehen.
Auch für Koma-Patienten sei diese Technologie „ein Segen“. 30 Prozent dieser Personengruppe würden phasenweise über Bewusstsein verfügen. Dass jedoch solche Technologien, die Hirnaktivitäten in Steuersignale von Computern, Prothesen oder Robotern übersetzen können, möglicherweise auch Tür und Tor für eine missbräuchliche Verwendung öffnen, etwa um Gehirnfunktionen gezielt zu manipulieren, liegt ebenso nahe. International führende Forscher, und dazu zählt auch der Referent, haben inzwischen ethische Richtlinien für den Einsatz solcher Schnittstellen formuliert. Zentrale Forderung ist hier unter anderem eine Veto-Funktion, die unbeabsichtigte Befehle unterbricht. Oder dass alle Daten vorübergehend und verschlüsselt gespeichert werden sollen, wie etwa bei einer Blackbox eines Flugzeugs. Zwar sei es noch nicht möglich, so Surjo Soekadar, komplexere Gedanken abzulesen. Auszuschließen sei dies langfristig jedoch nicht.
Grenzen und Killerroboter
Thematisiert wurden auch die Grenzen der künstlichen Intelligenz. Oder Killerroboter. Genau so brutal wie die Bezeichnung klingt, ist auch das Konstrukt dahinter. An der Grenze Südkoreas zu Nordkorea hat die Kriegsführung der neuen Art bereits begonnen. Killerroboter, also tödliche autonome Waffensysteme, bewachen den Todesstreifen, identifizieren Eindringlinge und können das Feuer eröffnen. Menschen sind bei der Entscheidung über Leben und Tod nicht involviert. Nach dem Vortrag wurde bei einem kleinen Imbiss an den Tischen noch ausgiebig diskutiert. „Die Veranstaltung war ein guter Erfolg“, so das abschließende Resümee von Ilona Boos. Die Themen hätten die Besucher bewegt und viele Denkanstöße mitgegeben.