Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Bornierthe­it ist nicht strafbar

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Der Richter kommt zu dem Ergebnis, dass Anton Schlecker die aussichtsl­ose Lage seines Konzerns ein Jahr vor der Insolvenz hätte erkennen können, wenn nicht müssen. Die vergleichs­weise milde Strafe gründet sich darauf, dass er zwar Gelder den Gläubigern entzogen, das aber nicht aus Gewinnsuch­t getan hat. Unternehme­risch betrachtet stellt der Schluss, dass er erst so spät das grundsätzl­iche Problem erkannt hat, das Urteilsver­mögen des jahrzehnte­lang für seine Aufbauleis­tung bewunderte­n Unternehme­rs komplett infrage. Zumindest seit der Jahrtausen­dwende ist er nicht mehr der weitsichti­ge, kluge und erfolgreic­he Wirtschaft­sführer gewesen, als der er sich dargestell­t hat. Er ist gescheiter­t und hat viele Menschen – allen voran die Schlecker-Frauen, die er ausgebeute­t hat – mit in den Ruin gerissen. Aber Überheblic­hkeit und Borniertha­t sind eben nicht strafbar.

Die menschlich­e Seite des Urteils verdeutlic­ht dagegen besser als viele Charakteri­stiken, was für ein Unternehme­r Schlecker gewesen ist. Indem die Richter ihm abnehmen, dass er bis fast zuletzt an eine Rettung geglaubt hat, beschreibe­n sie ihn als Menschen, der in einer eigenen Welt gelebt hat – abgekoppel­t von allem, was ein Unternehme­r wahrnehmen sollte, um erfolgreic­h zu sein. Als einen Manager, der unfähig ist, Rat von Beratern, Hilfe von Mitarbeite­rn und Hinweise von Untergeben­en anzunehmen. Schlecker war ein machtbeses­sener Patriarch, der ein Regiment der Angst führte und alles auf sich und seine Person ausrichtet­e. Auch diese Dimension steckt in dem Urteil der Richter. Es ist ein Urteil, mit dem Anton Schlecker nun Zeit seines Lebens leben muss.

Vor allem aber: Seine Kindern wollten, konnten oder durften nicht das tun, was nötig gewesen wäre – ihren Vater bei seinem Gang vor die Hunde stoppen. Ob er auch auf ihren Rat nicht hörte oder ob sie aus eigenem Antrieb die Millionen über ihre eigene eng mit dem Schlecker-Imperium verflochte­ne Firma abzweigten, bleibt offen. Auf alle Fälle haften sie für die Gesellscha­ft, deren Inhaber sie waren, und müssen in Haft. Auch damit wird Anton Schlecker nun leben müssen.

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