Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Borniertheit ist nicht strafbar
Der Richter kommt zu dem Ergebnis, dass Anton Schlecker die aussichtslose Lage seines Konzerns ein Jahr vor der Insolvenz hätte erkennen können, wenn nicht müssen. Die vergleichsweise milde Strafe gründet sich darauf, dass er zwar Gelder den Gläubigern entzogen, das aber nicht aus Gewinnsucht getan hat. Unternehmerisch betrachtet stellt der Schluss, dass er erst so spät das grundsätzliche Problem erkannt hat, das Urteilsvermögen des jahrzehntelang für seine Aufbauleistung bewunderten Unternehmers komplett infrage. Zumindest seit der Jahrtausendwende ist er nicht mehr der weitsichtige, kluge und erfolgreiche Wirtschaftsführer gewesen, als der er sich dargestellt hat. Er ist gescheitert und hat viele Menschen – allen voran die Schlecker-Frauen, die er ausgebeutet hat – mit in den Ruin gerissen. Aber Überheblichkeit und Bornierthat sind eben nicht strafbar.
Die menschliche Seite des Urteils verdeutlicht dagegen besser als viele Charakteristiken, was für ein Unternehmer Schlecker gewesen ist. Indem die Richter ihm abnehmen, dass er bis fast zuletzt an eine Rettung geglaubt hat, beschreiben sie ihn als Menschen, der in einer eigenen Welt gelebt hat – abgekoppelt von allem, was ein Unternehmer wahrnehmen sollte, um erfolgreich zu sein. Als einen Manager, der unfähig ist, Rat von Beratern, Hilfe von Mitarbeitern und Hinweise von Untergebenen anzunehmen. Schlecker war ein machtbesessener Patriarch, der ein Regiment der Angst führte und alles auf sich und seine Person ausrichtete. Auch diese Dimension steckt in dem Urteil der Richter. Es ist ein Urteil, mit dem Anton Schlecker nun Zeit seines Lebens leben muss.
Vor allem aber: Seine Kindern wollten, konnten oder durften nicht das tun, was nötig gewesen wäre – ihren Vater bei seinem Gang vor die Hunde stoppen. Ob er auch auf ihren Rat nicht hörte oder ob sie aus eigenem Antrieb die Millionen über ihre eigene eng mit dem Schlecker-Imperium verflochtene Firma abzweigten, bleibt offen. Auf alle Fälle haften sie für die Gesellschaft, deren Inhaber sie waren, und müssen in Haft. Auch damit wird Anton Schlecker nun leben müssen.