Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Das Kloster Beuron erfindet sich neu
Abtei und die Gemeinde planen einen Neubau für 20 Millionen Euro
BEURON - Die 150-Einwohner-Ortschaft Beuron im Kreis Sigmaringen schrumpft: Eine Schule und einen Kindergarten gibt es lediglich in der Nachbarschaft. Der Pächter des Pelikans, dem wichtigsten Hotel am Platze, gab kürzlich auf. Die Sparkasse baute ihren Geldautomaten schon im vergangenen Jahr ab. Die Überalterung schreitet unaufhaltsam voran: Mit einem Altersdurchschnitt von 48 Jahren gilt Beuron als die älteste Gemeinde Baden-Württembergs. „Wir sind im Durchschnitt sogar noch einmal 20 Jahre älter“, sagt der Erzabt der Beuroner Benediktinerabtei Sankt Martin, Tutilo Burger. Der Klostervorsteher, der Bürgermeister und Architekten haben nun ein Modell entwickelt, das den Niedergang Beurons stoppen soll. Das Kloster soll neu aufgebaut werden. Zumindest ein wichtiger Teil davon.
Die Blütezeit des Klosterorts liegt mehr als 100 Jahre zurück. Zur Kaiserzeit war es in Mode, in Beuron die Sommerfrische zu verbringen. Aus diesem Grund wurde durchs obere Donautal eine Eisenbahnlinie gebaut. Mehrere Hotels und Gästehäuser entstanden. Auch die Abtei schien in dieser Zeit ins Unermessliche zu wachsen. Rund 300 Benediktinermönche beteten und arbeiteten.
Ein Sterbeprozess
Heute verfügt die Gemeinschaft noch über 42 Mitglieder. Tendenz: stark fallend. Lediglich knapp die Hälfte der Mönche kann vom Alter her am Alltagsleben teilnehmen. Der Erzabt ist in seiner Wortwahl schonungslos direkt, wenn er über die Zukunft des Klosters und der Ortschaft spricht: „Wir sterben seit Jahren vor uns hin. Stillstand bedeutet ein Hinauszögern dieses Sterbeprozesses“, sagt der 52-jährige Mönch, der seit sieben Jahren dem Kloster vorsteht. Stand heute habe das Kloster laut Erzabt Tutilo noch eine Perspektive von 20 bis 30 Jahren – die Lebenszeit der weit über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannten Abtei zu verlängern, das ist das Ziel des Projekts, das sich aktuell noch anhört wie ein Luftschloss, ein unwirklicher Traum.
Ein nennenswerter Teil des Klosters soll abgerissen und wieder neu aufgebaut werden: Der Pfortenbau aus dem Jahr 1960, das Gebäude des Beuroner Kunstverlags, die Schreinerei und andere Werkstätten und Stallungen sollen für den Neubau Platz machen. Die beiden neuen Riegel, die sich solide in den Klosterbauplan einfügen, sollen das leisten, was das Kloster und die Ortschaft als Aufputschmittel brauchen: den Ort und das Kloster näher zusammenführen, eine Begegnungsstätte samt Gaststätte und Übernachtungsmöglichkeiten schaffen, die Buchhandlung und einen Lebensmittelladen integrieren und eine Pflege-WG für Mönche und Bürger beherbergen. Die aktuell wenig einladende Klosterpforte soll sich wie das Kloster öffnen, die Durchgangsstraße verkehrsberuhigt werden und die Besucher sollen vom Parkplatz nicht mehr an der Klostermauer entlang, sondern über den Gewölbekeller durchs Kloster hindurch ins Begegnungszentrum geführt werden.
Sowohl die Mönche des Kapitels als auch der Beuroner Gemeinderat haben das Projekt beschlossen und sind zu gleichen Ergebnissen gekommen. Die Bürger wurden mehrfach eingebunden und am Dienstag erneut zusammengerufen. Bürgermeister Raphael Osmakowski-Miller versucht Bedenken, das Projekt nutze nur dem Ortsteil Beuron, auszuräumen: „Das neue Kloster ist ein Herzschrittmacher. Der Impuls wird von Beuron ausgehen. Die Donau ist für uns in Beuron wie eine Schlagader.“Rund 20 Millionen Euro soll das Projekt kosten, fünf Jahre sind für die Umsetzung veranschlagt. Wo dieses viele Geld herkommen soll? Noch ist die Finanzierung nicht gesichert, aber die Verantwortlichen haben positive Signale vernommen. „Bei der Erzdiözese und dem Land zeigt sich der deutliche Wille, etwas zu tun“, sagt Projektentwickler Beck.
Städteplaner Roland Groß geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht aus, was andere kaum zu hoffen wagen: „Beuron kann wieder zu seiner Blütephase kommen.“
Aber wie? Die Ortschaft habe das Kloster, einen Bahnhof, ein Naturschutzzentrum und das landschaftlich einmalige Donautal. „Junge Familien herzuholen, ist nicht hoffnungslos“, sagt der Städteplaner und nennt das Große Walsertal als Vorbild. In dem vorarlbergischen Tal hätten sich überdurchschnittlich viele Akademiker angesiedelt. Menschen, die die Natur schätzen und als Pendler bereit sind, weite Wege auf sich zu nehmen.