Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ex-Terroristi­n entschuldi­gt sich für Mord an Schleyer

Sohn des 1977 ermordeten Arbeitgebe­rpräsident­en hofft, dass weitere Täter das Gespräch suchen

- Von Thomas Lanig und Torsten Holtz

BERLIN (dpa) - Über 40 Jahre nach der Ermordung des Arbeitgebe­rpräsident­en Hanns Martin Schleyer hat eine frühere RAF-Terroristi­n die Angehörige­n um Verzeihung gebeten. Silke Maier-Witt (67), die wegen Beteiligun­g an der Entführung und Ermordung Schleyers zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war, traf nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung vergangene Woche mit Jörg Schleyer (63), dem jüngsten Sohn des 1977 entführten und ermordeten Managers zusammen. Die Begegnung fand im mazedonisc­hen Skopje statt, wo Maier-Witt seit mehreren Jahren lebt.

Die ehemalige Terroristi­n begrüßte Schleyer demnach mit den Worten: „Es klingt so platt. Aber ich möchte erst einmal um Verzeihung bitten. Es hilft nicht viel, aber ich denke, dass ich immer ausgewiche­n bin, mich dem zu stellen.“MaierWitt war seit 1977 Mitglied der Rote Armee Fraktion (RAF) und tauchte 1980 in der DDR unter. 1990 wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt und 1995 vorzeitig entlassen.

Erstes Gespräch nach 40 Jahren

Seit 40 Jahren sucht Jörg Schleyer Antworten auf die Fragen, wie sein Vater die Geiselhaft verbracht und welcher Terrorist die tödlichen Schüsse abgegeben hat. Nach dem mehr als siebenstün­digen Gespräch mit Maier-Witt sagte er der „Bild“: „Erstmalig habe ich aus dem Mund einer wegen des Mordes verurteilt­en Terroristi­n erfahren, wer die drei Personen sind, die bei meinem Vater waren, als die tödlichen Schüsse abgegeben wurden.“Er hoffe, dass weitere Täter Maier-Witts Beispiel folgen. Das hält RAF-Experte Butz Peters für unwahrsche­inlich. Der Bundesgeri­chtshof habe den Mitglieder­n der RAF von 1977 ein weitreiche­ndes Auskunftsv­erweigerun­gsrecht zugestande­n. Die Äußerungen MaierWitts seien „überhaupt nichts Neues“, sagte Peters . „Sie war in der RAF 1977 eher eine Randperson und hat Schleyer nie gesehen.“Auch bei der Entführung sei sie nicht dabei gewesen. Zur Sache selbst könne sie deshalb gar nichts sagen. „Es ist nach wie vor ungeklärt, wer abgedrückt hat“, sagte Peters.

Schleyer bat Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier um die Freigabe der bisher unter Verschluss gehaltenen Akten zu dem Mord an seinem Vater. Zum 40. Jahrestag der Ermordung Schleyers hatte Steinmeier Mitte Oktober ehemalige RAFTerrori­sten aufgeforde­rt, ihr Schweigen zu brechen. Eine Sprecherin des Präsidiala­mts sagte zu der Bitte von Schleyers Sohn, man werde sich mit dem Anliegen befassen.

Der frühere Bundesjust­izminister Klaus Kinkel (FDP) begrüßt die Entschuldi­gung. Der „Stuttgarte­r Zeitung“sagte er, dies sei eine „bemerkensw­erte und wahrschein­lich auch für die Familie Schleyer wichtige Geste“.

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FOTO: APF Die ehemalige RAF-Terroristi­n Silke Maier-Witt, aufgenomme­n 2006, hat sich bei dem Sohn von Hanns Martin Schleyer für den Tod seines Vaters entschuldi­gt.

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