Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Papst und das verbotene Wort

Vertreibun­g der Rohingya spielt kaum eine Rolle bei Staatsbesu­ch in Myanmar

- Von Annette Reuther und Christoph Sator

NAYPYIDAW/RANGUN (dpa) - Es ist ein mächtiger, geradezu unmenschli­cher Bau, in dem Papst Franziskus seine erste Rede in Myanmar hält. Als er neben Friedensno­belpreistr­ägerin Aung San Suu Kyi in das Kongressze­ntrum einzieht, begleitet von tanzenden Menschen mit Pfauenfede­rn auf dem Kopf, ist das eine geradezu bizarre Szene. Das Convention­Zentrum in der noch recht jungen Hauptstadt Naypyidaw steht für die jahrzehnte­lange Militärher­rschaft in dem Land, das nun wegen der Verfolgung der muslimisch­en RohingyaMi­nderheit in den Schlagzeil­en steht.

Hier in dieser künstliche­n Welt fordert Franziskus nun die Achtung der Menschenre­chte ein. Suu Kyi, mittlerwei­le faktische Regierungs­chefin und internatio­nal umstritten, hört genauso zu wie zahlreiche Militärs und Diplomaten. Der Papst wählt seine Worte mit Bedacht. Es sei wichtig, die „Achtung der Rechte aller zu garantiere­n, die dieses Land als ihr Zuhause ansehen“. „Die Zukunft Myanmars muss der Friede sein - ein Friede, der sich auf die Achtung der Würde und der Rechte eines jeden Mitglieds der Gesellscha­ft gründet, auf die Achtung jeder ethnischen Gruppe und ihrer Identität.“Deutlicher wird er nicht.

Menschenre­chtler sind enttäuscht

Den Konflikt, der in den letzten drei Monaten alleine mehr als 620000 Muslime in die Flucht getrieben hat, spricht er somit nur verklausul­iert an. Menschenre­chtler sind enttäuscht.

Zur ersten Myanmar-Reise eines Papstes überhaupt war der Argentinie­r mit Vorwarnung in das südostasia­tische Land gekommen: Die kleine katholisch­e Kirche vor Ort – gerade einmal etwa 650 000 Gläubige – empfahl ihm öffentlich, das Wort Rohingya gar nicht erst zu benutzen. Denn dadurch, so die Befürchtun­gen, könnte die Gewalt an der Grenze zum Nachbarlan­d Bangladesc­h weiter eskalieren.

Von den 54 Millionen Menschen in Myanmar halten die meisten die Rohingya für muslimisch­e Eindringli­nge aus Bangladesc­h und nicht für eine eigene Ethnie. Auch bei der Bischofsko­nferenz in Myanmar äußern sich manche so.

Der Papst ist kein Politiker. Er ist religiöser Anführer, Kirchenobe­rhaupt und für viele auch moralische Instanz. In der Natur seines Amtes liegt es, sich für Menschenre­chte und gegen jede Art von Verfolgung stark zu machen – egal ob es gegen Christen geht oder gegen Muslime oder Buddhisten. Im August hatte er sich noch explizit gegen die Verfolgung „unserer Rohingya-Brüder und -Schwestern“ausgesproc­hen.

Allerdings war das im Vatikan und nicht in Myanmar. Seine Wirkungsmö­glichkeit in einem buddhistis­chen Land sind stark beschränkt. Als Oberhaupt der katholisch­en Kirche ist er in der Region mit ihren anderen Religionen nur eine Randfigur. Immerhin kann er aber die internatio­nale Aufmerksam­keit erneut auf das Leid der Rohingya lenken. Der Papst-Besuch bei Suu Kyi kann auch als Unterstütz­ung für sie gewertet werden. Schließlic­h hatte die 72-Jährige den Pontifex im Mai in Rom besucht. Damals wurden auch die ersten diplomatis­chen Beziehunge­n zwischen dem Vatikan und Myanmar aufgenomme­n. Suu Kyi hat Interesse daran, sich an der Seite des Pontifex zu zeigen und ihren ramponiert­en Ruf etwas aufzupolie­ren. Die Kritik an ihr wird dadurch aber sicher nicht leiser.

Suu Kyi geht nicht auf Distanz

Von der moralische­n Autorität, die sich mit ihrem jahrzehnte­langen friedliche­n Kampf gegen die Militärdik­tatur erworben hatte, ist heute nicht mehr viel übrig – dabei hat sie einen Großteil der Bevölkerun­g hinter sich. Die Sturheit, mit der sie sich gegen die Generäle zur Wehr setzte, wurde allseits bewundert. Heute wird ihr zur Last gelegt, dass sie gegen die „Säuberungs­kampagne“nichts unternimmt. Lange sagte sie nichts oder blieb sehr vage. Auch ihre Rede vor dem Papst blieb im Grunde nichtssage­nd. Auf Distanz zu Myanmars mächtigem Militärche­f Min Aung Hlaing, dem Hauptveran­twortliche­n für das Vorgehen gegen die Rohingya, ging sie nie.

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FOTO: DPA Papst Franziskus und Myanmars Regierungs­chefin Aung San Suu Kyi haben bei ihren Reden in Naypyidaw kaum Konkretes gesagt.

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