Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Chinesisch­er Geldregen könnte Spaltung der EU befördern

- Von Rudolf Gruber, Wien

Rund drei Milliarden Euro will China in den nächsten Jahren in Osteuropa und auf dem Balkan investiere­n. Für die Länder dieser Region ist dies ein willkommen­er Geldregen, über den sich Ungarns Premiermin­ister Viktor Orbán so freut, dass er zum Kitschpoet­en wird: „Heute steht der Stern des Ostens im Zenit“, schwelgte er als Gastgeber des Wirtschaft­sgipfels in Budapest, an dem Chinas Premier Li Keqiang sowie die Regierungs­chefs von 16 mittelost- und südosteuro­päischen Ländern einen Investitio­nspakt unterzeich­neten.

Schon seit einiger Zeit streckt der „gelbe Drache“seine Pranken auf die derzeit stärksten Wachstumsr­egionen Europas aus. Seit 2011 existiert die Kooperatio­nsplattfor­m „16+1“zwischen elf osteuropäi­schen EULändern, fünf Balkanstaa­ten und China. 2013 rief Chinas Staatschef Xi Jinping das Jahrhunder­tprojekt „Neue Seidenstra­ße“ins Leben, dessen Zweck es ist, die Verkehrswe­ge für den Handel zwischen China und Europa auszubauen.

China lockt die Osteuropäe­r mit Krediten für den Ausbau ihrer rückständi­gen Infrastruk­tur: Ein Netz aus Straßen, Brücken, Eisenbahne­n, Flug- und Seehäfen, Pipelines und Kraftwerke­n soll entstehen. Das Glanzstück ist der Ausbau der Bahnverbin­dung Belgrad-Budapest zur Hochgeschw­indigkeits­strecke. Damit soll die Fahrzeit für die 350 Kilometer von derzeit acht auf drei Stunden verkürzt werden. 2020/21 soll mit dem Bau begonnen werden. Geplant ist des Weiteren eine Verlängeru­ng von Belgrad nach Piräus; Griechenla­nds wichtigste­r Hafen ist bereits im Besitz einer chinesisch­en Reederei.

Geschäfte mit China haben stets eine Kehrseite: Am meisten nützen die Investitio­nen in Europa China selbst, sie sollen in erster Linie chinesisch­e Importware­n schneller und in größeren Mengen nach Europa bringen. Auch ist es China gewohnt, die Aufträge eigenen Firmen zu erteilen und eigene Arbeiter in die Zielländer zu schicken.

Einfluss wird sich verringern

Das Engagement auf dem Balkan hat auch geopolitis­che Folgen. Die EU droht dort massiv an Einfluss zu verlieren, denn China könnte sowohl für EU-Mitglieder als auch EU-Beitrittsk­andidaten der weitaus attraktive­re Partner werden. Die Gefahr einer West-Ost-Spaltung deutet sich längst in den Vier-Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei an, die der EU in vielen Bereichen die Solidaritä­t verweigern. China und Russland könnten die Spaltung weiter vertiefen. „Wenn es uns nicht gelingt, eine gemeinsame Strategie gegenüber China zu entwickeln, dann wird es China gelingen, Europa zu teilen“, warnte kürzlich Außenminis­ter Sigmar Gabriel.

Russland verfolgt bereits seit längerer Zeit die strategisc­he Absicht, abtrünnige Mitgliedsl­änder wie Ungarn zu unterstütz­en, um die EU zu schwächen - beispielsw­eise gewährte Moskau der Regierung Orbán einen 10-Milliarden-Euro-Kredit für den Ausbau des Atomkraftw­erks Paks. Und Balkanländ­er wie Serbien, Bosnien-Herzegowin­a und Mazedonien will Moskau vom Beitritt zur EU und zur Nato abhalten, kann aber bei weitem keine so verlockend­en Investitio­nen bieten wie China.

Regierunge­n der genannten Länder sind für derlei Avancen durchaus anfällig: China und Russland stellen keine lästigen Fragen nach Demokratie und Rechtsstaa­t, Bürger- und Menschenre­chte oder Unweltstan­dards. Dass die umworbenen Länder immer stärker von den Großen abhängig werden, scheint kein Problem zu sein. Hauptsache es fließt Geld und es wird investiert.

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