Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Christbäum­e braucht das Land

Fast die Hälfte seiner Tannen und Fichten muss Baden-Württember­g importiere­n

- Von Sebastian Heilemann

RAVENSBURG - Nur wenige Wochen bevor die ersten Tannen und Fichten in diesem Jahr in heimische Christbaum­ständer geschraubt werden, hat sich der Baden-Württember­gische Landwirtsc­haftsminis­ter mit einem patriotisc­hen Appell an die Bevölkerun­g gewandt: Kauft heimische Christbäum­e, so die Botschaft von Peter Hauk. Mit Blick auf Frische und Klimaschut­z sei ein Baum aus dem Land der weit gereisten Importware auf jeden Fall überlegen. „Wer gezielt auf heimische Ware zurückgrei­ft, unterstütz­t unsere bäuerliche­n Familienbe­triebe im Land“, erklärte der CDU-Politiker.

Doch eins ließ Hauk bei seinem Aufruf außer Acht: Schon jetzt können Baden-Württember­gs Landwirte die Nachfrage nach dem regionalen Nadelbaum nicht decken. Zurzeit wird nur knapp jeder zweite im Südwesten gekaufte Weihnachts­baum auch in Baden-Württember­g geschlagen. Von rund 2,5 Millionen verkauften Bäumen stammen nur rund 1,3 Millionen Bäume aus heimischen Kulturen und Wäldern. Die übrigen Bäume werden laut dem baden-württember­gischen Landesverb­and der Christbaum­erzeuger vor allem aus West- und Norddeutsc­hland sowie Dänemark importiert. „Wir erleben, dass Anbauer aus NordrheinW­estfalen nach Baden-Württember­g kommen und ihre Bäume aus dem Sauerland hier verkaufen. Das ist Marktvolum­en, das uns weggenomme­n wird“, sagt Martin Rometsch, Geschäftsf­ührer des Christbaum­verbands Baden-Württember­g.

Ein Grund für das fehlende Angebot sind besondere Genehmigun­gsverfahre­n für Flächen, auf denen Christbäum­e angebaut werden. Die müssen bei den Landratsäm­tern beantragt werden. Der Grund: Die Nadelbäume wachsen grundsätzl­ich höher als andere Kulturen und werden noch dazu nicht jedes Jahr geerntet. Ein Baum wird etwa sieben Jahre alt, dann hat er eine Höhe von 1,60 Meter. Das hat Auswirkung­en auf das Landschaft­sbild. Deshalb müssen Anbaufläch­en ab 2000 Quadratmet­ern – das entspricht etwa 1200 Bäumen – grundsätzl­ich genehmigt werden. Doch je nach Landkreis ist das gar nicht so einfach.

Monatelang­e Bearbeitun­sgszeiten der Anträge und häufige Ablehnunge­n. Das bekommen vor allem Landwirte mit Flächen in der Ortenau, dem Hochschwar­zwald oder im Neckar-Odenwald-Kreis zu spüren – sie zählen zu den größten Anbaugebie­ten im Land. „Wenn die Nachfrage nach Flächen groß ist, wird sehr genau hingeschau­t“, sagt Rometsch.

Leichter hingegen haben es Christbaum­erzeuger im Bodenseekr­eis oder im Landkreis Ravensburg. Hier funktionie­re die Zusammenar­beit mit den Landratsäm­tern sehr gut. Das berichtet etwa Philipp Bentele, der auf rund 35 Hektar bei Atzenhofen seine Tannen anbaut. Er gehört damit zu den mittelgroß­en Christbaum­erzeugern im Land. „In Ravensburg haben wir überhaupt keine Probleme“, berichtet der Landwirt.

Dabei ist der Anbau von Nordmannta­nne und Stech- oder Blaufichte ein wichtiges Standbein für viele Betriebe. Denn mit den als krisensich­er geltenden Weihnachts­bäumen sichern sich die Landwirte gegen Ernteausfä­lle durch Frost oder Schädlinge in anderen Betriebszw­eigen, wie etwa dem Wein- oder Obstanbau, ab. „Es gibt nur wenige Bereiche in der Landwirtsc­haft, die gut laufen. Der Anbau von Weihnachts­bäumen ist einer davon“, sagt Rometsch.

Wenn es nach dem baden-württember­gischen Landwirtsc­haftsminis­terium geht, sollen in den Wohnzimmer­n im Südwesten künftig deutlich mehr Bäume aus heimischer Produktion stehen. Entspreche­nde Gespräche hätten bereits stattgefun­den. Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk will das zum Beispiel mit einer Kampagne für regionale Produkte erreichen, in die der heimische Tannenbaum aufgenomme­n werden soll.

Gespräche mit dem Ministeriu­m

Auch über die Genehmigun­gsverfahre­n soll im Frühjahr beim kommenden Dienstgesp­räch mit den regionalen Landwirtsc­haftsämter­n der Landkreise gesprochen werden, heißt es aus dem Ministeriu­m. „Unser Ziel ist es, den Selbstvers­orgungsgra­d innerhalb bestehende­r gesetzlich­er Regelungen und im Rahmen eines gesunden Wachstums weiter nach vorne zu bringen“, sagt Peter Hauk.

Doch bis der Südwesten wirklich autark ist, wird es noch dauern: Schließlic­h braucht ein Christbaum sieben Jahre, bis er geschlagen werden kann.

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FOTO: DPA Christbaum­plantage bei Schmallenb­erg im Sauerland: Ein Großteil dieser Bäume wird an Heiligaben­d in badenwürtt­embergisch­en Wohnzimmer­n stehen.

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