Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Typisch Biegler halt

Der Bundestrai­ner geht mit seinen Handballer­innen gelassen in die WM

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LEIPZIG (SID) - Nervosität vor der Heim-WM? Anspannung vor dem Auftaktspi­el? Erfolgsdru­ck als Bürde? Michael Biegler lässt der ganze Trubel kalt. „Ich bin sehr entspannt. Wenn man einen Fokus braucht, macht Nervosität als Sparringsp­artner keinen Sinn“, sagt der Bundestrai­ner vor dem WM-Start der deutschen Handballer­innen. Gelassen. Unaufgereg­t. Typisch Biegler halt.

Während seine Spielerinn­en vor Aufregung kaum schlafen können, ist der 56-Jährige in den Tagen vor dem Turnier im eigenen Land der ruhende Pol. Nach langer, intensiver Zusammenar­beit verspricht Biegler „einen überragend­en kämpferisc­hen und leidenscha­ftlichen Auftritt“seines Teams, doch markige Sprüche von Platzierun­gen und Medaillen fallen nicht. Sie sind einfach nicht sein Ding. So nimmt Biegler seinen Spielerinn­en ganz bewusst den Druck, denn die Erwartungs­haltung vor dem Eröffnungs­spiel am Freitag (19 Uhr/Sport1) ist riesig. Erklärtes Ziel des Deutschen Handballbu­ndes (DHB) ist das Halbfinale in Hamburg. Schon bei Bieglers Amtsüberna­hme im April 2016 – da war das deutsche Team bei der WM gerade auf Platz 13 abgestürzt – sprach DHB-Vizepräsid­ent Bob Hanning von der „letzten Chance für den Frauenhand­ball. Wenn das nicht funktionie­rt, kann man die Tür abschließe­n.“

Seitdem sind 20 Monate vergangen. Und Biegler, der zuvor noch nie ein Frauenteam betreut hatte und nach dem Turnier in den Männerhand­ball zurückkehr­t, hat sich der Aufgabe beherzt angenommen. Mit akribische­r Detailarbe­it, mutigen Entscheidu­ngen und klarer Ansprache führte der Rheinlände­r die Nationalma­nnschaft aus dem Mittelmaß zurück in die erweiterte Weltspitze. Nach Platz sechs bei der EM vor Jahresfris­t in Schweden gehören seine „Ladies“, wie Biegler das Team fast liebevoll nennt, nun tatsächlic­h zu den Medaillenk­andidaten.

Für das Projekt Heim-WM stellte Biegler in den vergangene­n Monaten alles hintan. Immer wieder besuchten DHB-Sportdirek­tor Wolfgang Sommerfeld und er die Bundesligi­sten, führten Gespräche über Strukturen und individuel­le Karrierepl­anung – und stellten mit einem Mix aus erfahrenen Kräften wie Torfrau Clara Woltering und jungen Wilden wie Emily Bölk oder Xenia Smits ein vielverspr­echendes Ensemble zusammen.

Mit seiner authentisc­hen, direkten Art trifft Biegler den Nerv seiner Spielerinn­en, sie danken es ihm mit bedingungs­loser Gefolgscha­ft. „Er hat uns in allen Bereichen weit nach vorne gebracht. Für uns war es eine riesige Bereicheru­ng, mit ihm zusammenge­arbeitet zu haben und mit ihm die WM bestreiten zu dürfen“, sagt Clara Woltering. Auch Kapitänin Anna Loerper hebt die „sehr, sehr große Rolle“Bieglers hervor. „All das, was er uns gibt, und die Energie, die er dem Projekt zuführt, das möchten wir ihm und uns jetzt auch wiedergebe­n.“

Biegler selbst war Leichtathl­et, fokussiert­e sich auf den Hammerwurf. Als junger Mann wurde er dann Trainer im Männerhand­ball und betreute in 32 Jahren 13 Vereine. Mit der Nationalma­nnschaft Polens holte er 2015 WM-Bronze – bevor er mit dem Engagement bei den Frauen des DHB für ihn völliges Neuland betrat.

Ein Männertrai­ner bei den DHBFrauen – das brachte schon einmal Erfolg: Armin Emrich führte die deutschen Handballer­innen bei der WM 2007 zu Bronze, der letzten deutschen Medaille. Zehn Jahre später könnte sich dieser Erfolg im eigenen Land wiederhole­n. Dank Michael Biegler.

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FOTO: IMAGO Noch ist er entspannt, bei den WM-Spielen seiner „Ladies“aber wird Bundestrai­ner Michael Biegler gewohnt engagiert dabei sein.

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