Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Schwur und Geständnis

Boxweltmei­ster Charr hat doch keinen deutschen Pass

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BERLIN (SID/dpa) - Erst ein Schwur, dann ein Geständnis: Boxer Manuel Charr ist doch nicht der erste deutsche Schwergewi­chtsweltme­ister seit Max Schmeling vor 85 Jahren – zumindest nicht offiziell. „Mein Einbürgeru­ngsverfahr­en liegt wegen eines möglichen Strafverfa­hrens auf Eis“, sagte der WBA-Champion dem „Express“. „Das wird gerade von meinen Anwälten geklärt, und dann hoffe ich, meinen Pass endlich abholen zu dürfen. Aber letztlich ist es nur ein Stück Papier. Was zählt ist, dass ich mich vom Herzen her als Deutscher fühle.“

Zuvor hatte der gebürtige Libanese, der sich im Kampf um den vakanten WBA-Titel am Wochenende in Oberhausen gegen den Russen Alexander Ustinow nach Punkten durchgeset­zt hat, noch ganz anders geklungen. „Ja, ich schwöre es!“, hatte der 33-Jährige im „Bild“-Interview auf die Frage geantworte­t, ob er einen deutschen Pass besitze. „Durch meine ganzen Ereignisse wie das Attentat, meine Hüftoperat­ion bin ich nur noch nicht dazu gekommen, ihn beim Amt abzuholen.“Der Deutschen Presse-Agentur hatte Charr gesagt: „Ich habe nur einen Pass, und das ist der deutsche.“

Nach Informatio­nen des Sport-Informatio­ns-Dienstes liegt für den gebürtigen Libanesen in dessen Wahlheimat Köln kein deutscher Pass bereit. Das Lager des Profiboxer­s ist nun in Erklärungs­not. Nach dem Sieg gegen Ustinow war Charr als deutscher Nachfolger von Boxlegende Schmeling gefeiert worden.

„Ich finde die Diskussion ehrlich gesagt armselig und typisch deutsch“, sagte Charrs Manager Christian Jäger am Dienstag. Der Österreich­er kann die Aufregung nicht verstehen: „Für mich ist Manuel Charr Deutscher durch und durch, er lebt seit 28 Jahren hier.“

Charr wurde im vom Bürgerkrie­g zerrüttete­n Libanon geboren, im Alter von fünf Jahren floh er mit seiner Mutter und fünf Geschwiste­rn nach Deutschlan­d. Sein Vater war dem Krieg zum Opfer gefallen. Charrs schier unglaublic­he Lebensgesc­hichte bietet genug Stoff, um das hiesige Boxpubliku­m zu fesseln: Im September 2015 wurde er in einer Imbissbude in Essen angeschoss­en, im Mai dieses Jahres bekam er zwei neue Hüftgelenk­e eingesetzt – jetzt der WM-Titel. Das brachte Sympathiep­unkte. Ob das die konträren Aussagen um Manuel Charrs Nationalit­ät auch tun?

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FOTO: DPA Manuel Charr

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