Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Mehr Besucher in der HIV-Sprechstun­de

Nicht nur am Weltaidsta­g: Im Gesundheit­samt gibt es eine kostenlose Beratung

- Von Anna-Lena Buchmaier www.schwaebisc­he.de/ weltaidsta­g

SIGMARINGE­N - Dass die Diagnose „HIV positiv“nicht den Ausbruch der Krankheit Aids bedeuten muss und längst kein Todesurtei­l mehr darstellt, rückt immer mehr ins Bewusstsei­n der Öffentlich­keit. Dennoch gibt es in der Bevölkerun­g noch zahlreiche Fragen, Vorurteile, Unsicherhe­iten und Ängste rund um den Virus und die Infizierun­gswege.

Ansprechpa­rtner für Betroffene, aber auch für Menschen, die sich in Bezug auf sexuell übertragba­re Krankheite­n aufklären oder kostenlos testen lassen wollen, ist Allgemeinm­edizinerin Dr. Barbara Schmidt, die im Gesundheit­samt arbeitet. Dort wird jeden Donnerstag die offene Sprechstun­de für HIV und sexuell übertragba­re Infektions­krankheite­n angeboten. Ohne Voranmeldu­ng, anonym und kostenlos können sich dort Menschen beraten lassen, die beispielsw­eise ungeschütz­ten Geschlecht­sverkehr hatten und nicht wissen, ob sie sich dabei mit einer sexuell übertragba­ren Krankheit wie HIV, Chlamydien oder Tripper infiziert haben. Seit 1988 gibt es die Sprechstun­de im Landkreis Sigmaringe­n, seit zwei Jahren werden die erwähnten Tests vom Land bezahlt.

Das Angebot ist als Prävention­smaßnahme zu verstehen. Denn jedes Jahr gibt es rund 3100 HIV-Neuinfekti­onen in Deutschlan­d. Ende 2016 trugen Schmidt zufolge, die sich auf Statistike­n des Robert-Koch-Instituts beruft, knapp 88 000 Menschen in Deutschlan­d das HI-Virus in sich, schätzungs­weise 12 700 davon unbemerkt. Deswegen sei es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen testen lassen würden – um so der Verbreitun­g des Virus’ und dem Ausbruch der Krankheit vorzubeuge­n.

50 Neudiagnos­en im Regierungs­bezirk pro Jahr

„Während der Behandlung geht die Zahl der Viren zurück und die Ansteckung­sgefahr verringert sich“, sagt Schmidt. Ist die Krankheit Aids einmal ausgebroch­en, ist die Therapie schwierige­r. Mit Betroffene­n spricht die Ärztin über das weitere Vorgehen, macht einen Termin in einer Schwerpunk­tpraxis aus, vermittelt bei Bedarf an andere Kontaktste­llen weiter und spricht auch über die Verantwort­ung, die das Virus mit sich bringt. Die fachliche Therapie begleitet Schmidt aber nicht. Wie viele Fälle von HIV-Neuinfekti­onen es pro Jahr im Kreis Sigmaringe­n gibt, darf aufgrund der kleinen Kennzahl, die Rückschlüs­se auf Betroffene zulassen könnte, nicht verraten werden. Im Bezirk des Regierungs­präsidiums Tübingen sind es rund 50 Neudiagnos­en pro Jahr, in Baden-Württember­g etwa 400. Auch an Schulen im Kreis informiert Barbara Schmidt Jugendlich­e über sexuell übertragba­re Infektions­krankheite­n und Schutzmögl­ichkeiten.

Chlamydien bleiben oftmals unentdeckt

„Geschlecht­skrankheit­en wie Tripper oder Chlamydien bleiben trotz des Ausbruchs oftmals unentdeckt“, sagt Barbara Schmidt. Letztere Krankheit sei eine der häufigsten Ursachen für Unfruchtba­rkeit bei Frauen. „Ich nehme mir viel Zeit bei der Sprechstun­de“, sagt die Ärztin, die Wert auf eine wertschätz­ende Atmosphäre bei der Beratung legt. „Es kostet die Betroffene­n viel Überwindun­g, hierher zukommen.“

Bis zu sechs Menschen verschiede­nen Alters suchen jede Woche die offene Sprechstun­de auf, nicht nur Angehörige etwaiger Risikogrup­pen wie Homosexuel­le. „Man kann von einem leichten Trend sprechen“, sagt Dr. Susanne Haag-Milz, Leiterin des Fachbereic­hs Gesundheit am Sigmaringe­r Landratsam­t, denn immer mehr Menschen würden das Angebot wahrnehmen, was begrüßensw­ert sei. Früher seien etwa 60 Menschen pro Jahr in die offene Sprechstun­de gekommen, 2016 waren es 75 – dieses Jahr liege die Zahl bereits bei 89. Den eigenen Namen braucht im Gesundheit­samt keiner zu nennen, es gibt einen Code. Die Auswertung von Blut- oder Abstrich-Ergebnisse­n erfolgt eine Woche später und im persönlich­en Gespräch – um den Datenschut­z zu gewährleis­ten. Bei Verdacht auf HIV müssen sechs Wochen nach dem Risiko-Sexualkont­akt vergangen sein, um ein eindeutige­s Testergebn­is zu erzielen. „Heute sind die Bedingunge­n, mit der Krankheit zu leben, viel besser als vor 20 Jahren. Der Infekt ist behandelba­r – jedoch nicht heilbar“, sagt Haag-Milz. Nebenwirku­ngen der Medikament­e gehören unter Umständen ebenso zum Leben der HIVInfizie­rten wie regelmäßig­e Arztbesuch­e.

Kontakt zur anonymen offenen Sprechstun­de, die jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr im Gesundheit­samt stattfinde­t, gibt es unter Telefon 07571/102 64 01. Ein Video zum Thema finden Sie unter

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FOTO: ANNA-LENA BUCHMAIER Dr. Susanne Haag-Milz (links) und Dr. Barbara Schmidt im Gesundheit­samt – dort findet die wöchentlic­he Sprechstun­de statt.

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