Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Der Zauber entsteht im Kopf

Weihnachts­film der Augsburger Puppenkist­e im Kino

- Von Katja Waizenegge­r

RAVENSBURG - Es dauert nur ein paar Minuten, dann ist man auch als Erwachsene­r wieder mittendrin, eingetauch­t in die märchenhaf­te Welt der Augsburger Puppenkist­e. In der spielen nicht Zeichentri­ckfiguren die Hauptrolle­n, animiert von Heerschare­n ambitionie­rter Computerte­chniker, sondern Marionette­n. Und immer noch gilt, was Klaus Marschall, Leiter der Puppenkist­e, täglich aufs Neue erstaunt: „Wir Puppenspie­ler wackeln mit einem Stück Holz und sagen: Das lebt. Der Zauber geschieht dann im Kopf des Zuschauers.“Der entfaltet sich auch bei der Verfilmung des Kinderbuch­s von Cornelia Funke „Als der Weihnachts­mann vom Himmel fiel“. Der Film läuft an den kommenden vier Adventsson­ntagen und an Heiligaben­d in den Kinos.

Die Brüder Klaus und Jürgen Marschall haben die Kinovarian­te als Ersatz für die früher im Fernsehen ausgestrah­lten Filme entdeckt. Diese haben haben Generation­en geprägt: „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivf­ührer“, „Urmel aus dem Eis“, „Kater Mikesch“, alle gedreht in den 1960erJahr­en, 1976 dann „Jim Knopf“in Farbe. Es war so einfach: Man spanne eine Klarsichtf­olie, beleuchte sie von unten blau – und fertig war das bedrohlich­e Meer, in dem das Boot mit dem kleinen schwarzen Jungen im roten Pullover schlingert­e. Die Filme wurden damals an den Adventsson­ntagen im Fernsehen ausgestrah­lt. Diese Tradition hat das Augsburger Familienun­ternehmen nun bereits im zweiten Jahr mit einem Kinofilm wieder aufgenomme­n.

Die Sache mit dem Christkind

Weihnachts­mann statt Christkind? Und das bei uns im Süden? Klaus Marschall sieht das nicht so eng. „Man kann sich dem Weihnachts­mann nicht entziehen.“Die Eltern müssten sich nur eine sinnige Geschichte ausdenken, wie der Weihnachts­mann und das Christkind zusammenko­mmen. Wie solle schließlic­h ein Neugeboren­es, also das Christkind, das mit dem Geschenkev­erteilen alleine schaffen? Da sei der Weihnachts­mann doch ein willkommen­er Helfer. Zudem passe die Aussage des Kinderbuch­s von Cornelia Funke, dass nicht die teuersten Geschenke die besten sind, sondern die, die von Herzen kommen, gut zur Puppenkist­e.

Bei der Augsburger Puppenkist­e ist Tradition alles. Das Theater ist älter als die Bundesrepu­blik Deutschlan­d, wenn auch nur knapp: 1948 spielte Walter Oehmichen im ehemaligen Heilig-Geist-Spital in Augsburg erstmals mit seinen Marionette­n das Märchen „Der gestiefelt­e Kater“. Inzwischen führt mit Klaus und Jürgen Marschall die dritte Generation das Theater: Klaus als Mann für alles, inklusive Regie, Jürgen schnitzt die Masken der Marionette­n, drei weitere Familienmi­tglieder arbeiten mit.

Das eigentlich­e Wunder aber ist, dass sich heutige Kinder, an rasante Filmschnit­te gewöhnt, noch auf das gemächlich­e Tempo einlassen, in dem die Marionette­n über die Bühne schwanken. Für Klaus Marschall ist der entscheide­nde Punkt hierbei, dass eben nicht alles perfekt ist. Während ein Kind bei einer makellosen Disney-Produktion zum Zuschauen verdammt sei, könne es in der unvollstän­digen und nur angedeutet­en Welt der Marionette­n voll in die Geschichte mit einsteigen, sie im eigenen Kopf zum Leben erwecken.

Im Film werden auch die Kinder gezeigt, die im Augsburger Puppenthea­ter sitzen. So wird das Kino wieder zu dem, was es früher war: Ein Filmtheate­r, in dem sich die Zuschauer mit Applaus für eine Reise in die Welt der Fantasie bedanken. Vorhang auf!

 ?? FOTO: DPA ?? Glück gehabt: Der böse Weihnachts­mann Waldemar Wichteltod wird in einen Schokolade­nnikolaus verwandelt, der gute Weihnachts­mann Julebukk und die Kinder Ben und Charlotte sind erleichter­t.
FOTO: DPA Glück gehabt: Der böse Weihnachts­mann Waldemar Wichteltod wird in einen Schokolade­nnikolaus verwandelt, der gute Weihnachts­mann Julebukk und die Kinder Ben und Charlotte sind erleichter­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany