Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Das Leben als junger Mensch auf dem Land ist hart“
Wolfgang Müller aus Tafertsweiler besingt mit seiner imaginären Band Bläck Sheep die Jugend auf dem Dorf
TAFERTSWEILER - Wolfgang Müller tourt seit zehn Jahren mit seiner „Schwäbischen Komödy“durch Schwaben. Mit auf Tournee ist seine fiktive Band Bläck Sheep, die sich eigentlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere getrennt hat. In seinen Liedern erzählt er Geschichten aus dem Dorfleben und darüber, wie es war als 15-Jähriger in Tafertsweiler. Mit Barbara Baur hat er darüber gesprochen, was es mit der Band auf sich hat.
Herr Müller, wer ist Bläck Sheep?
Das ist meine erste Band. Ich war 15 Jahre alt, wir waren vier Jungs in Tafertsweiler, wir hatten einen Auftritt und auf dem Höhepunkt unserer Karriere haben wir uns getrennt. Wir hatten zwei Lieder: „Rivers of Babylon“und „Bubi Bubi noch einmal“. 2007 habe ich entschieden, solo Comedy zu machen. Es war klar, dass ich schwäbische Geschichten erzähle und schwäbische Lieder singe. Der Name war sofort klar, weil der auch aus einem zweiten Grund gut passt. Ich arbeite bei der katholischen Kirche und bin auch da ein schwarzes Schaf. Daraus entstand die Idee, imaginär die Jungs von damals auf die Bühne zu holen. Wir treten immer zu viert auf, ich stelle sie vor und ich erzähle Geschichten über sie. Das machen wir inzwischen seit zehn Jahren.
Bisher sind Sie aber noch nicht so oft in Ihrer Heimat aufgetreten?
Nein, bis vor zwei Jahren galt die Regel, dass wir uns nicht näher als 50 Kilometer der Heimat nähern. Der Grund ist, dass ich wahre Geschichten erzähle und hier, wo man sich kennt, würde man erkennen, um wen es geht. Auch die ehemalige Band wusste nicht, dass ich mit ihr auf Tour bin. Vor zwei Jahren habe ich dann beim Kreismusikfest in Ostrach im Zelt gespielt. Einer von der Band hat es gesehen und einen zweiten habe ich dort noch getroffen. Dem habe ich es dann gebeichtet.
Und wie war dann der Auftritt in Tafertsweiler beim SingerSongwriter-Festival diesen Sommer?
Es gab kein Wiedervereinigungskonzert, weil einer nach Portugal reisen musste und der andere sein Akkordeon nicht gefunden hat. Aber das Dorfgemeinschaftshaus war voll. Für mich war das sehr aufregend, weil diese Zuhörer ja meine Ideengeber sind. Ich erzähle nur Getere schichten, die wahr sind – bis auf zwei. Das sind die Menschen, von denen meine Geschichten und meiner Lieder handeln. Zurückzugeben und zu zeigen, welcher Wert in alltäglichen Geschichten drin ist, war für mich berührend und schön. Meine Botschaft ist: Hört nicht auf, euch die Geschichten zu erzählen, denn die machen uns zu dem, was wir sind. Für mich persönlich war es eine Art von Wiederheimkommen.
Das war doch sicher sehr aufregend für Sie.
Ja, sicher. Es ist was ganz anderes, das Programm den Menschen vorzuspielen, die direkt involviert sind, statt einem Zuhörer in Herrenberg oder Göppingen, der die Geschichten nicht miterlebt hat. Dort ist es hundert Mal einfacher. In Tafertsweiler hätte das Publikum aber auch empört sein können.
Welche Resonanzen haben Sie in Tafertsweiler bekommen?
Für das Publikum war es etwas Besonderes. Es sind zwar vor allem Äl- gekommen, aber es waren alle Generationen vertreten. Es war lustig, hat sie berührt und ich glaube, es hat sie auch mit Stolz erfüllt, dass ihre Geschichten es wert sind, erzählt zu werden. Wolfgang Müller über seine erste Band in der Jugend
Wie war denn Ihre Jugend auf dem Dorf?
Das Leben als junger Mensch auf dem Land ist hart. Ohne Führerschein kann man am Abend und am Wochenende nirgends hingehen. In meiner Jugend waren die Bushaltestelle und die Mischtemauer der Treffpunkt. Das lag daran, dass dort Autos vorbeigefahren sind. Immer wenn ein Auto vorbeigefahren ist, hatten wir 15 Minuten Gesprächsstoff – bis das nächste Auto kam. Die Zeiten sind zwar vorbei, aber es stimmt immer noch irgendwie. Heute ist man auf eine andere Art abgehängt. Hinterm Haus in Tafertsweiler hast du einen schlechteren Internetempfang als in Ghana. In einem Dorf verändert sich auch nicht viel. Das war auch ein Grund, warum ich weggegangen bin.
Warum eignet sich das Leben auf dem Land eigentlich so gut für Kabarett?
Es hat sich so entwickelt, dass viele Zuhörer gut andocken können. Ich denke, das liegt daran, dass es damit zu tun hat, dass Fragen angesprochen werden wie: Wo komme ich her? Wo sind meine Wurzeln? Was hat mich so gemacht, wie ich bin? Ab einem Alter von 40 kann man sich auch eingestehen, dass einen manche Sachen mehr prägen, als man es vielleicht zugeben will. Bläck Sheep schwankt außerdem zwischen Spiel und Wirklichkeit. Das ist sicher ein Teil des Erfolgsrezepts.
Wo spielt Bläck Sheep hauptsächlich?
Bei jeder Gelegenheit. Wir spielen für ein Bier und ein Vesper. Viele Auftritte sind an Geburtstagen, Firmenfeiern und Jubiläen. Aber wir haben auch ein Abendprogramm, das wir oft für einen guten Zweck spielen. Meistens sind wir nördlich der Schwäbischen Alb unterwegs, viel im Raum Rottweil, VillingenSchwenningen, Göppingen, Esslingen und Ludwigsburg.
Wissen die Zuhörer dann, wo Tafertsweiler ist?
Im Programm sage ich immer: Im Dreieck Bachhotta, Eschedorf und Wirnsweiler. Das Publikum fragt sich dann, ob das erfunden ist. Aber es meldet sich meistens jemand, der schon mal von Ostrach gehört hat.
Auf Ihrer Homepage schreiben Sie, dass Bläck Sheep auf Abschiedstournee ist. Warum wollen Sie aufhören?
Als klar war, dass ich in Tafertsweiler spielen werde, habe ich mich ge-
fragt: Was kann jetzt noch kommen? Aber die Resonanz dort war derart gut, ich hatte so viele interessante Begegnungen, dass es schade wäre, das Projekt zu begraben. Außerdem hat einer von der Jugendband versprochen, sein Akkordeon zu suchen. Also haben wir uns entschieden, doch weiterzumachen und vielleicht sogar ein drittes Lied einzustudieren.
Eine kleine Kostprobe von Bläck Sheep gibt es in einem Video im Internet: www.schwäbische.de/ black-sheep
„Wir hatten einen Auftritt und auf dem Höhepunkt unserer Karriere haben wir uns getrennt.“