Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kitsch und Konsum prägen Bild des Nikolauses
Werner Mezger erzählt bei seinem Vortrag in Scheer aus der Historie des Heiligen
SCHEER - Der heilige Nikolaus ist im Mittelpunkt eines Vortragsabends gestanden, zu dem die katholische Kirchengemeinde Scheer am Donnerstag in die Kirche St. Nikolaus eingeladen hatte. Statt Eintritt wurden Spenden für den Förderverein Kirchenrenovation Sankt Nikolaus für die neue Orgel erbeten. Viele Besucher waren gekommen, um den Kulturwissenschaftler Werner Mezger zu hören.
Eugen Pröbstle, stellvertretender Vorsitzender des Kirchengemeinderats, erinnerte, dass schon im 12. Jahrhundert an derselben Stelle wie heute eine Nikolauskirche stand. Über Jahrhunderte wurde der Heilige in Scheer verehrt, sogar als Brückenheiliger stand er lange auf der Donaubrücke, bis ihn der heilige Nepomuk ablöste. Dann sangen die Besucher das Scheerer Nikolauslied.
Mezger ging zunächst auf die Darstellungen des Heiligen in der Scheerer Kirche ein: Der barocke Hochaltar zeigt den heiligen Nikolaus bei seiner Himmelfahrt, im Chorraum steht eine frühere Figur des Heiligen und schließlich gibt es noch die Nikolausfahne. „Der heilige Nikolaus war Kristallisationspunkt der Ortsfrömmigkeit“, stellte Mezger fest.
An vielen Orten werde dieser Heilige verehrt. In dem Maße, wie der Stellenwert des heiligen Nikolaus in der Kirche abnahm, stieg er in der Volksfrömmigkeit auf, erklärte Mezger. Heute denke jeder an die Vorweihnachtszeit und an Geschenke, wenn vom Heiligen gesprochen wird. Die Darstellungen haben sich vom ehrwürdigen Bischof zum populären Weihnachtsmann verschoben, bis hin zur karikierten Comicfigur. Kitsch und Konsum prägen vielfach das Bild des Heiligen.
Historizität nicht belegbar
Der heilige Nikolaus ist eine Figur, die aus zwei historischen Personen geformt wurde, sagte Mezger. Es gab einen Bischof in Myra (heute Demre in der Türkei) im vierten Jahrhundert und einen Abt in Zion im sechsten Jahrhundert. Ein Mönch habe beide irrtümlicherweise zusammengeführt. Die Forschung habe sich intensiv mit dem historischen Nikolaus befasst, konnte letztendlich seine Historizität nicht belegen. Aber gerade diese Unsicherheit habe dazu geführt, dass die Legendenbildung umso lebhafter gearbeitet habe, erklärte Mezger.
Um die Reliquien des heiligen Nikolauses wurde in frühen Zeiten heftig gestritten. Die kleine Kirche in Myra beherbergte das Grab des Bischofs. Die italienische Stadt Bari fuhr mit Schiffen rüber und holte die Gebeine des Heiligen, um sie in ihre große Kirche zu legen und zu verehren. Sie waren den Venezianern zuvorgekommen, die aber dennoch hinfuhren und ebenfalls Gebeine zurückbrachten. Lange stritten sich die Städte um die Echtheit der Reliquien, bis die Venezianer das Interesse daran verloren und nachgaben. In Bari wird das Fest des heiligen Nikolauses heute noch zwei Mal im Jahr mit großen Prozessionen gefeiert.
Mezger zeigte die vielen Darstellungen, die in einer Südtiroler Kirche die Legenden des heiligen Nikolauses erzählen. Die drei jungen Frauen, denen er drei goldene Kugeln schenke, damit sie standesgemäß heiraten können und die drei Schüler im Pökelfass, die er zum Leben wieder erweckte. Er hat Seefahrer aus dem Sturm gerettet, in Hungerszeiten in Myra das Kornwunder vollbracht. Er hat Diebe bestraft und einen Juden vor den betrügerischen Handlungen eines Christen bewahrt.
Nikolaus sei ein beliebter und in der Kirche hochgeehrter Heiliger gewesen, bis Papst Paul VI. ihn im Jahr 1969 von dem Generalkalender streichen lies. Nun steht der Heilige nur noch auf regionalen oder örtlichen Kalendern, wo er besonders verehrt wird. Aus der Volksfrömmigkeit haben sich unzählige Bräuche entwickelt, dem heiligen Nikolaus zu gedenken. Mezger stellte einen reichen Fundus an Bräuchen vor, bei denen auch das Dämonische den Heiligen begleitet. Diese Bräuche reichen bis in die Fasnet hinein.