Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Obdachloser in Müllwagen gekippt und schwer verletzt
41-Jähriger hatte in Altpapiercontainer geschlafen
MÜNCHEN/NÜRNBERG (dpa/sz) Sie gehören zu den Schwächsten der Gesellschaft und sehen sich immer wieder Anfeindungen und Gefahren ausgesetzt. In Bayern gab es jetzt zwei tragische Fälle: In München wurde ein 51-Jähriger, auf den zwei Männer vor einem Monat einen Brandanschlag verübten, von einem Linienbus überrollt und tödlich verletzt. In Nürnberg schwebt ein 41Jähriger in Lebensgefahr, nachdem er in eine Müllpresse geraten war. Der Mann hatte in einem Altpapierconatainer übernachtet, um sich vor der Kälte zu schützen.
Der in München getötete Obdachlose starb noch an der Unfallstelle. Der aus Schleswig-Holstein stammende Mann hatte versucht, an einer roten Ampel in der Nähe einer Haltestelle in den Bus zu steigen, wie ein Sprecher der Polizei am Freitag sagte. Das habe der Busfahrer übersehen und sei angefahren. Dabei stürzte der 51-Jährige nach ersten Erkenntnissen der Ermittler am Donnerstag und wurde überrollt.
Anfang November hatten zwei Männer am Münchner Hauptbahnhof nachts die Habseligkeiten des Obdachlosen angezündet. Passanten verhinderten Schlimmeres. Der Mann blieb unverletzt. Nach einer öffentlichen Fahndung war gegen die mutmaßlichen Täter einige Tage später Haftbefehl erlassen worden.
Auch der Fall in Nürnberg ist grauenvoll. Der 41-Jährige hatte sich in der Nacht in einen Altpapiercontainer gelegt. Als am Freitag frühmorgens die Müllabfuhr anrückte, leerten die Mitarbeiter der Nürnberger Abfallwirtschaft den Container – ohne zu wissen, dass darin ein Mensch schläft. Der Mann wurde samt Papierunrat ins Innere des Mülllasters gekippt.
Als der Wagen losfuhr, hörte ein Müllwerker auf dem Trittbrett plötzlich Hilferufe aus dem Laderaum. Sofort ließ er den Lastwagen und das Schubwerk stoppen, das den Papiermüll im Innern zusammenschiebt. Zunächst fanden die Arbeiter niemanden. Erst, nachdem sie Altpapier beiseite geschoben haben, entdeckten sie den Mann im Laderaum.
Wie ein Polizeisprecher am Freitag berichtete, erlitt der 41-Jährige womöglich schwere innere Verletzungen. Der Wohnsitzlose schwebt in Lebensgefahr.
Verfehlte Wohnungspolitik
Der Fall wirft ein Schlaglicht auf ein Problem, das sich in Deutschland zusehends verschärft. 2016 waren rund 860 000 Menschen, darunter etwa 440 000 anerkannte Flüchtlinge, bundesweit ohne Wohnung. Seit 2014 gab es einen Anstieg um rund 150 Prozent, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) mitteilte. Für das laufende und das kommende Jahr rechnet sie mit einem weiteren Zuwachs um 350 000 auf rund 1,2 Millionen Menschen. Es ist eine Entwicklung, die der BAG-W-Geschäftsführer Thomas Beck nicht nur mit Zuwanderung erklärt. Die wesentlichen Ursachen für Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit lägen in einer seit Jahrzehnten verfehlten Wohnungspolitik in Deutschland in Verbindung mit unzureichender Armutsbekämpfung, betonte er kürzlich.