Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Ein Platz fürs Jesuskind aus dem 19. Jahrhundert
Fatschenkind in Renhardsweiler war lange Zeit vergessen – Jetzt wurde es in Rottenburg restauriert
RENHARDSWEILER - Ein wiederentdeckter Schatz: An Weihnachten wird in der Kirche St. Georg in Renhardsweiler zum zweiten Mal ein so genanntes Fatschenkind in einem Glasschrein vor dem Altar aufgestellt sein. Alexander Hübschmann, der Zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats, hat es im Jahr 2012 bei Aufräumarbeiten entdeckt. In diesem Jahr hat es ein Restaurator in Rottenburg saniert. Von nun an soll es immer wieder an Weihnachten in der Kirche gezeigt werden.
Es war vor dem Abbruch des alten Pfarrhauses in Renhardsweiler. Das Gebäude samt Speicher musste ausgeräumt werden. Um für das dort gelagerte Material Platz zu schaffen, nahmen sich die Vertreter der Kirchengemeinde auch die alte Sakristei vor. Dieser Raum neben dem Altarraum der Kirche wird ebenfalls als Lagerraum genutzt. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Alexander Hübschmann einen Gegenstand auf einem Schrank. „Da war etwas, das mit einem Wachstuch abgedeckt war“, erinnert er sich. Unter dem Tuch kam das Fatschenkind zum Vorschein.
Fatschenkinder haben einen Bezug zum Lukas-Evangelium: „Und das hat zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt.“Der Name ist abgeleitet vom lateinischen fascis, Bündel. Fatschenkinder sind Darstellungen des Jesuskindes, das ganz in Windeln gewickelt ist. Das Fatschenkind in Renhardsweiler ist allerdings nicht am ganzen Körper gewickelt. „Es ist jüngeren Datums“, erklärt der Zweite Vorsitzendes des Kirchengemeinderats. Darstellungen des Jesuskindes als Fatschenkind gebe es bereits seit dem 3. Jahrhundert, so Hübschmann. „Unser Fatschenkind ist im frühen 19. Jahrhundert entstanden.“Wo es entstanden ist, lässt sich nicht sagen. Eine oberschwäbische Klosterwerkstatt kommt dafür genauso in Frage wie ein weltlicher Handwerksbetrieb.
Hübschmann vermutet, dass das Fatschenkind nach dem Krieg, so um die Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils aus der Renhardsweiler Kirche verbannt wurde. Nach dem Konzil verloren solche Zeichen der Volksfrömmigkeit in den 60er- und 70er-Jahren an Bedeutung.
In schlechtem Zustand
In Renhardsweiler wurde das Fatschenkind damals wohl an jenen Platz weggeräumt, an dem es Alexander Hübschmann viele Jahre später wieder finden sollte. „Es war in einem sehr schlechten Zustand“, erzählt Alexander Hübschmann. Die Lagerbedingungen waren alles andere als optimal. Schimmel hatte sich festgesetzt. Die Statik stimmte nicht mehr, der Glasschrein drohte auseinanderzubrechen. Kleinteile und Figuren von Engeln und Tieren hatten sich teilweise von ihren Halterungen gelöst und lagen auf dem Boden.
Im vergangenen Jahr war das Fatschenkind erstmals in der Kirche in Renhardsweiler wieder zu sehen. „Viele Kirchgänger haben sich darüber gefreut“, sagt der Vertreter der Kirchengemeinde in Renhardsweiler. Da das Fatschenkind in diesem schlechten Zustand aber nicht dauerhaft gezeigt werden konnte, entschloss sich der Kirchengemeinderat zu einer Sanierung.
Ein Restaurator aus Rottenburg sanierte das Fatschenkind mit viel Fingerspitzengefühl. „Es sollte nicht wie neu aussehen“, erklärt Alexander Hübschmann. Das Alter von über 200 Jahren soll dem Fatschenkind immer noch anzusehen sein. Jetzt aber sind Kreuz, Lämmer und Pelikane wieder an ihrem richtigen Platz angebracht. Die Symbole weisen schon bei der Geburt des Jesuskindes an den späteren Opfertod von Jesus am Kreuz, so Hübschmann. 1350 Euro hat die Restaurierung gekostet. Ein Großteil des Betrags sei inzwischen durch Spenden aus der Gemeinde wieder hereingekommen, sagt Alexander Hübschmann.
Ein weiterer Schatz entdeckt
Das Fatschenkind ist aber nicht der einzige Schatz aus frühen Tagen, der durch die Aufräumarbeiten zutage gekommen ist. Im Pfarrhaus tauchte auch eine Predella auf. Der Aufsatz auf dem Tisch eines Altars kann geöffnet werden. Im Innern kommt eine Krippe zum Vorschein. Diese Predella könnte in einem der beiden Seitenaltäre eingebaut gewesen sein, die im Zuge der Renovierung der Kirche entfernt wurden, vermutet Hübschmann. Auch die Predella wird in diesem Jahr wieder aufgestellt. Kinder werden die beiden Türen während des Krippenspiels an Heiligabend öffnen und die Krippe sichtbar machen. So ist eines ganz sicher: Renhardsweiler feiert in diesem Jahr ein besonderes Weihnachtsfest.
Ein Videobeitrag über das Fatschenkind in Renhardsweiler finden Sie im Internet unter