Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Für Ben gibt es eine Badewanne auf Rädern
Der mit vielen Spenden unterstützte barrierefreie Anbau der Familie Kuchelmeister ist fertig
BLOCHINGEN - Über dem Kinderbett fahren Bären ein Autorennen, von Fotos strahlen dem Betrachter Ben und seine Freunde entgegen und an der Wand hängt eine Fahne des Fußballclubs Bayern München. „Ben ist nämlich Bayern-Fan“, sagt Klaus Kuchelmeister. Sein Sohn Ben sieht ihn an und lacht glucksend. Seit Mai schläft der Sechsjährige nachts in seinem eigenen Kinderzimmer. Eigens dafür, und für ein behindertengerechtes Badezimmer, hat seine Familie einen barrierefreien Anbau an ihr Haus in Blochingen gebaut. Unterstützt wurde sie dabei von vielen tatkräftigen Helfern und Geld- und Materialspenden aus der ganzen Region.
„Für einen kleinen Menschen Großes schaffen“– Unter diesem Titel hatte die „Schwäbische Zeitung“im vergangenen Jahr über eine kleine private Spendenaktion für Bens Kinderzimmer berichtet, die sich immer mehr verselbständigt hatte. Nicht nur Freunde, Nachbarn und Bekannte wollten helfen, sondern auch der Familie völlig Unbekannte. Für die Familie aus Blochingen nicht nur eine willkommene finanzielle Unterstützung, sondern auch rührende Gesten der Anteilnahme an Bens Schicksal. Ben muss nämlich aufgrund seiner mehrfachen Behinderungen und der Tatsache, dass er über eine Magensonde ernährt und nachts an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird, rund um die Uhr betreut werden.
Die Familie wird dabei in Schichten von Pflegekräften unterstützt. Ben hat ein Teil des Wohnzimmers im Einfamilienhaus in Blochingen bekommen. Dort stehen sein Bett, medizinische Überwachungsgeräte und weitere Ausrüstung. Gewaschen und gebadet wird der Junge in der ersten Etage. Weil seine Eltern ihn aber nicht ewig werden tragen können und ihm außerdem ein eigenes Zimmer zugestehen wollen, in dem am Abend auch die Pflegekraft etwas zurückgezogener ist, planen sie den Anbau.
Anfangs ungewohnt
„Für einen kleinen Menschen Großes schaffen. Ein Zimmer für Ben“– Mit dieser Betreffzeile erreichte die Redaktion nun eine Mail der Familie Kuchelmeister. „Unser Anbau ist seit einiger Zeit fertig“, schreibt Bens Vater. „Gern würden wir uns bei den vielen Menschen, die uns geholfen haben, bedanken.“Die Familie erwartet die Redakteurin im Wohnzimmer. Weil Bett und medizinische Geräte verschwunden sind, sieht das auch wieder aus wie ein Wohnzimmer. „Das war am Anfang total ungewohnt“, sagt Christine Kuchelmeister mit einem Lachen. „Da wünschen wir uns den Anbau und als er fertig ist, sitzen wir allein im Wohnzimmer auf der Couch und denken nur: Ben fehlt.“Mittlerweile haben sich aber alle daran gewöhnt, dass Ben abends ein paar Schritte weiter entfernt in seinem Bett schläft. In seinem eigenen Zimmer.
„Der Anbau ist großartig geworden“, schwärmt Klaus Kuchelmeister. Zusammen mit ihrem Nachbarn, dem Architekten Heiko Emhart, haben er und seine Frau sich viele Gedanken gemacht, wie die beiden Räume am besten gestaltet werden. „Wir wollten möglichst viel Flexibilität erreichen, weil wir nicht wissen können, wie sich Bens Gesundheitszustand weiterentwickelt und welche Hilfen er einmal brauchen wird“, sagt er.
So musste nicht nur der Platz genau berechnet werden, den Ben um sein Bett herum für die medizinischen Geräte braucht, sondern auch die Deckenkonstruktion bedacht werden. Die ist jetzt so stabil, dass sie einen Badewannenlift tragen könnte. „Oder eine Schaukel wie draußen“, sagt Bens Schwester Cora. Dort baumelt nämlich auf der neuen Terrasse vor dem Kinderzimmer eine Nestschaukel vom Vordach.
Pflegekräfte kümmern sich
Die Badewanne im barrierefreien Bad steht auf Rollen. „So könnten wir Ben mit zwei Personen baden und von beiden Seiten an ihn heran“, sagt Christine Kuchelmeister. Sollte es später einfach für Ben sein, zu duschen, kann das Badezimmer leicht umgebaut werden. „Die Anschlüsse und die Schienen im Boden sind vorhanden, man müsste nur noch die Duschwände einbauen“, sagt Klaus Kuchelmeister.
Auch die Pflegekräfte, die sich um Ben kümmern, sind vom neuen Anbau begeistert. Für sie gibt es nämlich eine gemütliche Ecke im Kinderzimmer mit einem Fernseher. „Sie sollen sich bei uns ja auch wohlfühlen und es in der Zeit, in der Ben schläft, bequem haben“, sagt Bens Mutter. „So würde ich mir das als Pflegekraft ja auch wünschen.“
Im Oktober hat die Familie ein Fest für die vielen Baustellenhelfer gegeben. „Weil wir aber nicht allen, die für unseren Bau gespendet haben, persönlich danken und ihnen den fertigen Anbau zeigen können, möchten wir das gerne so öffentlich machen“, sagt Klaus Kuchelmeister. Er lädt Interessierte aber trotzdem ein, sich das neue Kinderzimmer anzusehen. Besonders dankbar sind er und seine Frau vor allem den Familien Geiger, Konrad und Leberer, die sich in schwierigen Zeiten immer um Cora gekümmert hatten und es noch immer tun. „Wenn ich mit Ben ins Krankenhaus musste, war es immer so gut zu wissen, dass Cora gut untergebracht ist und wir uns da nicht auch noch tausend Gedanken machen müssen.“Gleiches gelte auch für die Arbeitgeber. „Es ist Gold wert, wenn der Chef einen in dringenden Fällen einfach gehen lässt, weil es Ben nicht gut geht“, sagt Kuchelmeister. „Wir wissen, dass das nicht für jeden selbstverständlich ist.“Ben geht mittlerweile in die Lassbergschule und hat viel Freude, mit anderen Kindern zusammenzusein. Gesundheitlich ist er stabil und musste nicht für längere Zeit ins Krankenhaus.
Ein Video zum Beitrag über Ben Kuchelmeister gibt es im Internet unter www.schwaebische.de/ben