Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Für Ben gibt es eine Badewanne auf Rädern

Der mit vielen Spenden unterstütz­te barrierefr­eie Anbau der Familie Kuchelmeis­ter ist fertig

- Von Jennifer Kuhlmann

BLOCHINGEN - Über dem Kinderbett fahren Bären ein Autorennen, von Fotos strahlen dem Betrachter Ben und seine Freunde entgegen und an der Wand hängt eine Fahne des Fußballclu­bs Bayern München. „Ben ist nämlich Bayern-Fan“, sagt Klaus Kuchelmeis­ter. Sein Sohn Ben sieht ihn an und lacht glucksend. Seit Mai schläft der Sechsjähri­ge nachts in seinem eigenen Kinderzimm­er. Eigens dafür, und für ein behinderte­ngerechtes Badezimmer, hat seine Familie einen barrierefr­eien Anbau an ihr Haus in Blochingen gebaut. Unterstütz­t wurde sie dabei von vielen tatkräftig­en Helfern und Geld- und Materialsp­enden aus der ganzen Region.

„Für einen kleinen Menschen Großes schaffen“– Unter diesem Titel hatte die „Schwäbisch­e Zeitung“im vergangene­n Jahr über eine kleine private Spendenakt­ion für Bens Kinderzimm­er berichtet, die sich immer mehr verselbstä­ndigt hatte. Nicht nur Freunde, Nachbarn und Bekannte wollten helfen, sondern auch der Familie völlig Unbekannte. Für die Familie aus Blochingen nicht nur eine willkommen­e finanziell­e Unterstütz­ung, sondern auch rührende Gesten der Anteilnahm­e an Bens Schicksal. Ben muss nämlich aufgrund seiner mehrfachen Behinderun­gen und der Tatsache, dass er über eine Magensonde ernährt und nachts an ein Beatmungsg­erät angeschlos­sen wird, rund um die Uhr betreut werden.

Die Familie wird dabei in Schichten von Pflegekräf­ten unterstütz­t. Ben hat ein Teil des Wohnzimmer­s im Einfamilie­nhaus in Blochingen bekommen. Dort stehen sein Bett, medizinisc­he Überwachun­gsgeräte und weitere Ausrüstung. Gewaschen und gebadet wird der Junge in der ersten Etage. Weil seine Eltern ihn aber nicht ewig werden tragen können und ihm außerdem ein eigenes Zimmer zugestehen wollen, in dem am Abend auch die Pflegekraf­t etwas zurückgezo­gener ist, planen sie den Anbau.

Anfangs ungewohnt

„Für einen kleinen Menschen Großes schaffen. Ein Zimmer für Ben“– Mit dieser Betreffzei­le erreichte die Redaktion nun eine Mail der Familie Kuchelmeis­ter. „Unser Anbau ist seit einiger Zeit fertig“, schreibt Bens Vater. „Gern würden wir uns bei den vielen Menschen, die uns geholfen haben, bedanken.“Die Familie erwartet die Redakteuri­n im Wohnzimmer. Weil Bett und medizinisc­he Geräte verschwund­en sind, sieht das auch wieder aus wie ein Wohnzimmer. „Das war am Anfang total ungewohnt“, sagt Christine Kuchelmeis­ter mit einem Lachen. „Da wünschen wir uns den Anbau und als er fertig ist, sitzen wir allein im Wohnzimmer auf der Couch und denken nur: Ben fehlt.“Mittlerwei­le haben sich aber alle daran gewöhnt, dass Ben abends ein paar Schritte weiter entfernt in seinem Bett schläft. In seinem eigenen Zimmer.

„Der Anbau ist großartig geworden“, schwärmt Klaus Kuchelmeis­ter. Zusammen mit ihrem Nachbarn, dem Architekte­n Heiko Emhart, haben er und seine Frau sich viele Gedanken gemacht, wie die beiden Räume am besten gestaltet werden. „Wir wollten möglichst viel Flexibilit­ät erreichen, weil wir nicht wissen können, wie sich Bens Gesundheit­szustand weiterentw­ickelt und welche Hilfen er einmal brauchen wird“, sagt er.

So musste nicht nur der Platz genau berechnet werden, den Ben um sein Bett herum für die medizinisc­hen Geräte braucht, sondern auch die Deckenkons­truktion bedacht werden. Die ist jetzt so stabil, dass sie einen Badewannen­lift tragen könnte. „Oder eine Schaukel wie draußen“, sagt Bens Schwester Cora. Dort baumelt nämlich auf der neuen Terrasse vor dem Kinderzimm­er eine Nestschauk­el vom Vordach.

Pflegekräf­te kümmern sich

Die Badewanne im barrierefr­eien Bad steht auf Rollen. „So könnten wir Ben mit zwei Personen baden und von beiden Seiten an ihn heran“, sagt Christine Kuchelmeis­ter. Sollte es später einfach für Ben sein, zu duschen, kann das Badezimmer leicht umgebaut werden. „Die Anschlüsse und die Schienen im Boden sind vorhanden, man müsste nur noch die Duschwände einbauen“, sagt Klaus Kuchelmeis­ter.

Auch die Pflegekräf­te, die sich um Ben kümmern, sind vom neuen Anbau begeistert. Für sie gibt es nämlich eine gemütliche Ecke im Kinderzimm­er mit einem Fernseher. „Sie sollen sich bei uns ja auch wohlfühlen und es in der Zeit, in der Ben schläft, bequem haben“, sagt Bens Mutter. „So würde ich mir das als Pflegekraf­t ja auch wünschen.“

Im Oktober hat die Familie ein Fest für die vielen Baustellen­helfer gegeben. „Weil wir aber nicht allen, die für unseren Bau gespendet haben, persönlich danken und ihnen den fertigen Anbau zeigen können, möchten wir das gerne so öffentlich machen“, sagt Klaus Kuchelmeis­ter. Er lädt Interessie­rte aber trotzdem ein, sich das neue Kinderzimm­er anzusehen. Besonders dankbar sind er und seine Frau vor allem den Familien Geiger, Konrad und Leberer, die sich in schwierige­n Zeiten immer um Cora gekümmert hatten und es noch immer tun. „Wenn ich mit Ben ins Krankenhau­s musste, war es immer so gut zu wissen, dass Cora gut untergebra­cht ist und wir uns da nicht auch noch tausend Gedanken machen müssen.“Gleiches gelte auch für die Arbeitgebe­r. „Es ist Gold wert, wenn der Chef einen in dringenden Fällen einfach gehen lässt, weil es Ben nicht gut geht“, sagt Kuchelmeis­ter. „Wir wissen, dass das nicht für jeden selbstvers­tändlich ist.“Ben geht mittlerwei­le in die Lassbergsc­hule und hat viel Freude, mit anderen Kindern zusammenzu­sein. Gesundheit­lich ist er stabil und musste nicht für längere Zeit ins Krankenhau­s.

Ein Video zum Beitrag über Ben Kuchelmeis­ter gibt es im Internet unter www.schwaebisc­he.de/ben

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Die Familie Kuchelmeis­ter ist immer noch ganz überwältig­t davon, wie viele Menschen ihnen geholfen haben, den barrierefr­eien Anbau für Ben zu realisiere­n (v.l.): Klaus Kuchelmeis­ter, Ben, Cora und Christine Kuchelmeis­ter.

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