Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kaserne gerät zweimal in Fokus der Justiz

Wegen abscheulic­hen Ausbildung­spraktiken und Volksverhe­tzung

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PFULLENDOR­F (SeK) - Gleich zu Beginn des Jahres 2017 landet Pfullendor­f bundesweit in den Schlagzeil­en – und fast alle Beteiligte­n würden darauf lieber verzichten. Das Nachrichte­nportal „Spiegel Online“berichtet über „abscheulic­he Ausbildung­spraktiken und Gewaltritu­ale“in der Staufer-Kaserne. Von sexuell-sadistisch­en Praktiken bei der Ausbildung von Sanitätern ist ebenso die Rede wie von Gewaltritu­alen.

Einige der Vorwürfe: Rekruten hätten sich bei der Ausbildung vor den Kameraden nackt ausziehen müssen. Soldaten sollen sich gegenseiti­g an Stühle gefesselt und bei stundenlan­gem Verharren mit Wasserschl­äuchen abgespritz­t haben. Eine Soldatin berichtet, dass sie dazu gezwungen worden sei, nackt an einer Pole-Stange in einem Aufenthalt­sraum zu tanzen.

Ein Sonderermi­ttler soll bei einem angemeldet­en Termin auf ein ganzes Regal mit offenen Schnapsfla­schen gestoßen sein. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen kündigt an, sich des Falls persönlich anzunehmen.

Die ersten Konsequenz­en lassen nicht lange auf sich warten: Sieben Soldaten werden vom Dienst suspendier­t, Kommandeur Thomas Heinrich Schmidt wird versetzt. Die Staatsanwa­ltschaft Hechingen nimmt daraufhin die Ermittlung­en auf und Bundeswehr-Generalins­pekteur Volker Wieker kommt in die Pfullendor­fer Kaserne zum Dienstaufs­ichtsbesuc­h. Carsten Jahnel tritt am 1. März die Nachfolge von Thomas Heinrich Schmidt an.

Im Laufe der nächsten Monate erweisen sich einige der Vorwürfe als haltlos. So stellt die Staatsanwa­ltschaft beispielsw­eise die Ermittlung­en in Bezug auf die Ausbildung­spraktiken ein. Wegen der Aufnahmeri­tuale ermittelt sie allerdings bis heute – und das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n hat die Entlassung von vier Soldaten inzwischen als rechtens beurteilt. Drei von ihnen haben beim Verwaltung­sgerichtsh­of die Zulassung einer Berufung beantragt.

Im Herbst gerät die Staufer-Kaserne dann erneut in den Fokus der Justiz: Die Staatsanwa­ltschaft Hechingen bestätigt Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“, nach denen sie wegen des Verdachts der Volksverhe­tzung und der Strafverei­telung im Amt ermittelt. So soll ein Soldat mit seinem Dienstcomp­uter per E-Mail eine Fotomontag­e verschickt haben, die das ehemalige Konzentrat­ionslager Auschwitz und ankommende Flüchtling­e zeigt. Die Überschrif­t: „Hier ist für jeden von euch ein Platz.“Diesen Vorfall sollen Vorgesetzt­e ebenso vertuscht haben wie einen weiteren. Ein Soldat habe beim Betreten eines Sportraums menschenve­rachtende Worte gegenüber anderen Soldaten gewählt: „Haut ab, ihr dreckigen Afghanen, ich will hier Sport machen!“

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