Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Wahre Geschichte als Grundlage

Im neuen Krimi von Erwin Aicher geht es um einen Fall aus dem Jahr 1920.

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Bei den Recherchen für seinen Kriminalro­man kam sich Erwin Aicher selbst oft vor wie ein Detektiv. Kein Wunder: „Der Weg des Mörders“zeichnet einen Fall nach, der sich 1920 im Kreis Biberach ereignet hat.

Hätten sich Bürger und Gemeindera­t dazu entschloss­en, den heutigen Boulay-Platz nach dem Gasthaus „Schwanen“zu benennen, hätte das Erwin Aicher ganz besonders gefreut. Seine Eltern haben das Gasthaus lange geführt, Aicher selbst aus seiner Jugend viele Erinnerung­en an Mengen. Von 1957 bis 1968 hat er hier gelebt, bis es ihn beruflich nach Trossingen zog, wo er bis zu seiner Pension für einen Edelstahlp­roduzenten gearbeitet hat, zuletzt als Niederlass­ungsleiter. Auch heute noch ist er der Stadt eng verbunden. „Meine Schwester lebt mir ihrer Familie in Mengen und ich pflege viele Freundscha­ften in Mengen und Ennetach“, sagt er.

Im Ruhestand einfach das Tempo auf Null zurückfahr­en – das kam für Erwin Aicher nicht infrage. „Sport allein reichte nicht, ich habe andere Herausford­erungen gesucht“, sagt er. Von vielen Seiten habe er gehört, dass er gut erzählen könne und man ihm gerne zuhöre. „Ich dachte, ich probiere mal, ob ich eine Geschichte logisch und von den Charaktere­n her glaubwürdi­g aufbauen und aufschreib­en kann.“Nachdem er die Familienge­schichte einer Auswandere­rfamilie, deren Kind bei Indianern aufwuchs, in drei Bänden niedergesc­hrieben hatte, wusste er: Ich will mit dem Schreiben weitermach­en.

Geschichte aus der Kindheit

„Eine geheimnisv­olle Geschichte habe ich als Kind immer wieder gehört und die hat mich schließlic­h so gepackt, dass ich mehr erfahren und daraus einen Roman machen wollte“, erzählt er. In den 1920er-Jahren soll sich ein Mord an einer Frau im Heimatdorf seiner Mutter im Landkreis Biberach ereignet haben. Von einer Kiesgrube sei die Rede gewesen und dass der Mord erst Jahre später aufgeklärt wurde.

Für Aicher begann mit dem Fund einer Polizeimel­dung vom 3. Mai 1920 im Zeitungsar­chiv und einer wenige Tage später veröffentl­ichten Todesanzei­ge eine intensive Recherche, die knapp zehn Jahre andauerte. „Ich habe versucht, in dem Dorf Leute zu finden, die sich an mehr erinnern können und die Frau oder ihren Mörder gekannt haben können“, sagt er. Mit der Zeit hätten sich immer mehr Türen geöffnet. Die Polizei und die Leute im Ort hätten lang nicht gewusst, ob sich die Frau selbst erhängt oder jemand nachgeholf­en habe. „Irgendwann erfuhr ich, dass dem Mörder erst 1939 der Prozess gemacht wurde.“

Ein Puzzle

Mit jedem Gespräch setzt er mehr Puzzleteil­e zusammen. Dass Täter und Opfer sich gut gekannt haben, welche Charaktere­igenschaft­en ihnen zugeschrie­ben wurden, wie die Familien zueinander standen und was mögliche Tatgründe gewesen sein konnten. „Ich habe mich gefühlt wie ein Detektiv oder ein Kommissar bei dem Ermittlung­en„“sagt Aicher. „Ich wollte immer noch mehr wissen.„ Weil er sich vor allem für die Beweggründ­e des Mörders interessie­rt hat, der erst 19 Jahre nach seiner Tat verurteilt wurde und so lange im Dorf und mit der Tat gelebt hat, konnte Aicher schließlic­h sogar zur Familie dieses Mannes vordringen und mit seinen Nachkommen reden. „Das war sehr bewegend.“Aus Rücksicht auf die Familie hat Aicher Namen geändert und den Ort anonymisie­rt. „Im Ort weiß natürlich jeder Bescheid und es hat ziemliche Aufregung gegeben“; sagt er. In seinem Roman „Der Weg des Mörders“bleibt Aicher ganz nah an den Informatio­nen, die er gesammelt hat. „Ich hoffe, dass ich das Innere des Mörders als Mensch auch habe einfangen können“, sagt er. „Das ist ja der Bereich, der auf meinen eigenen Rückschlüs­sen und meiner Fantasie basiert.“

Erwin Aicher ist schon mit den Recherchen zu einem weiteren Buch beschäftig­t. „Mich fasziniere­n die realen Fälle“, sagt er. Immer mehr Menschen würden sich auch bei ihm melden, die ebenfalls von geheimnisv­ollen Morden zu berichten haben. „Da sind wirklich spannende Sachen dabei.“

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN
 ?? FOTO: JENNIFER KUHLMANN ?? Erwin Aichers Roman „Der Weg des Mörders“beruht auf einem Kriminalfa­ll aus dem Jahr 1920.
FOTO: JENNIFER KUHLMANN Erwin Aichers Roman „Der Weg des Mörders“beruht auf einem Kriminalfa­ll aus dem Jahr 1920.

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