Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Wahre Geschichte als Grundlage
Im neuen Krimi von Erwin Aicher geht es um einen Fall aus dem Jahr 1920.
MENGEN - Bei den Recherchen für seinen Kriminalroman kam sich Erwin Aicher selbst oft vor wie ein Detektiv. Kein Wunder: „Der Weg des Mörders“zeichnet einen Fall nach, der sich 1920 im Kreis Biberach ereignet hat.
Hätten sich Bürger und Gemeinderat dazu entschlossen, den heutigen Boulay-Platz nach dem Gasthaus „Schwanen“zu benennen, hätte das Erwin Aicher ganz besonders gefreut. Seine Eltern haben das Gasthaus lange geführt, Aicher selbst aus seiner Jugend viele Erinnerungen an Mengen. Von 1957 bis 1968 hat er hier gelebt, bis es ihn beruflich nach Trossingen zog, wo er bis zu seiner Pension für einen Edelstahlproduzenten gearbeitet hat, zuletzt als Niederlassungsleiter. Auch heute noch ist er der Stadt eng verbunden. „Meine Schwester lebt mir ihrer Familie in Mengen und ich pflege viele Freundschaften in Mengen und Ennetach“, sagt er.
Im Ruhestand einfach das Tempo auf Null zurückfahren – das kam für Erwin Aicher nicht infrage. „Sport allein reichte nicht, ich habe andere Herausforderungen gesucht“, sagt er. Von vielen Seiten habe er gehört, dass er gut erzählen könne und man ihm gerne zuhöre. „Ich dachte, ich probiere mal, ob ich eine Geschichte logisch und von den Charakteren her glaubwürdig aufbauen und aufschreiben kann.“Nachdem er die Familiengeschichte einer Auswandererfamilie, deren Kind bei Indianern aufwuchs, in drei Bänden niedergeschrieben hatte, wusste er: Ich will mit dem Schreiben weitermachen.
Geschichte aus der Kindheit
„Eine geheimnisvolle Geschichte habe ich als Kind immer wieder gehört und die hat mich schließlich so gepackt, dass ich mehr erfahren und daraus einen Roman machen wollte“, erzählt er. In den 1920er-Jahren soll sich ein Mord an einer Frau im Heimatdorf seiner Mutter im Landkreis Biberach ereignet haben. Von einer Kiesgrube sei die Rede gewesen und dass der Mord erst Jahre später aufgeklärt wurde.
Für Aicher begann mit dem Fund einer Polizeimeldung vom 3. Mai 1920 im Zeitungsarchiv und einer wenige Tage später veröffentlichten Todesanzeige eine intensive Recherche, die knapp zehn Jahre andauerte. „Ich habe versucht, in dem Dorf Leute zu finden, die sich an mehr erinnern können und die Frau oder ihren Mörder gekannt haben können“, sagt er. Mit der Zeit hätten sich immer mehr Türen geöffnet. Die Polizei und die Leute im Ort hätten lang nicht gewusst, ob sich die Frau selbst erhängt oder jemand nachgeholfen habe. „Irgendwann erfuhr ich, dass dem Mörder erst 1939 der Prozess gemacht wurde.“
Ein Puzzle
Mit jedem Gespräch setzt er mehr Puzzleteile zusammen. Dass Täter und Opfer sich gut gekannt haben, welche Charaktereigenschaften ihnen zugeschrieben wurden, wie die Familien zueinander standen und was mögliche Tatgründe gewesen sein konnten. „Ich habe mich gefühlt wie ein Detektiv oder ein Kommissar bei dem Ermittlungen„“sagt Aicher. „Ich wollte immer noch mehr wissen.„ Weil er sich vor allem für die Beweggründe des Mörders interessiert hat, der erst 19 Jahre nach seiner Tat verurteilt wurde und so lange im Dorf und mit der Tat gelebt hat, konnte Aicher schließlich sogar zur Familie dieses Mannes vordringen und mit seinen Nachkommen reden. „Das war sehr bewegend.“Aus Rücksicht auf die Familie hat Aicher Namen geändert und den Ort anonymisiert. „Im Ort weiß natürlich jeder Bescheid und es hat ziemliche Aufregung gegeben“; sagt er. In seinem Roman „Der Weg des Mörders“bleibt Aicher ganz nah an den Informationen, die er gesammelt hat. „Ich hoffe, dass ich das Innere des Mörders als Mensch auch habe einfangen können“, sagt er. „Das ist ja der Bereich, der auf meinen eigenen Rückschlüssen und meiner Fantasie basiert.“
Erwin Aicher ist schon mit den Recherchen zu einem weiteren Buch beschäftigt. „Mich faszinieren die realen Fälle“, sagt er. Immer mehr Menschen würden sich auch bei ihm melden, die ebenfalls von geheimnisvollen Morden zu berichten haben. „Da sind wirklich spannende Sachen dabei.“