Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
„Mit dem Auto wäre ich doppelt so schnell“
Hundersinger ärgert sich über vollen Zug und häufige Verspätung auf der Strecke nach Ravensburg
HERBERTINGEN - Franz Sigmund aus Hundersingen ärgert sich über die Bahn: Als Pendler fährt er werktags um 7.09 Uhr mit dem Zug von Herbertingen nach Aulendorf und von dort aus zu seiner Arbeitsstelle nach Ravensburg. Doch seit Oktober 2016 ist der Wurm drin: Der Zug von Aulendorf nach Ravensburg ist häufig verspätet, zwei Ausfälle habe er allein im Dezember erlebt. Zudem wird seit der Fahrplanumstellung im Dezember auf der Strecke Herbertingen-Aulendorf nur noch ein Triebwagen statt zwei eingesetzt, was zur Folge hat, dass der Zug in den Augen von Franz Sigmund überfüllt ist. „Bis Bad Saulgau muss ich stehen“, sagt er. Viele Schüler nutzen den Zug, um zur Schule zu fahren. Die Bestellung nur eines Triebwagens auf der stark frequentierten Strecke hält er für „einen schlechten Scherz“. Laut Angaben der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) ist nicht geplant, auf längere Sicht wieder einen zweiten Triebwagen einzusetzen.
In Aulendorf wartet Sigmund häufig länger als die planmäßigen 15 Minuten, meist etwa 30 Minuten, weil es Probleme mit dem Anschlusszug gibt. Mal sind es 15 Minuten Verspätung, mal mehr. „Ich brauche insgesamt anderthalb bis eindreiviertel Stunden, bis ich in Ravensburg bin. In der Zeit kann ich mit dem Auto hin und zurück fahren.“, sagt Franz Sigmund. Lange will der Pendler das nicht mehr mitmachen: „Man wird förmlich dazu getrieben, mit dem Auto zu fahren, das ist ein sehr trauriges Zeichen, das die Politik da aussendet“, sagt er. Ein Auto besitzt er bereits. „Ich muss ja irgendwie von Hundersingen nach Herbertingen zum Bahnhof kommen, das ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Zeit nicht möglich“, sagt der 49-Jährige.
Die NVBW, die die Zugleistungen bestellt, bestätigt die Reduzierung um einen Triebwagen und beruft sich auf Vorgaben des Landes (siehe Kasten). „Dies hat zur Folge, dass in den Hauptverkehrszeiten auch Stehplätze in Kauf genommen werden, wenn sonst zusätzliche Fahrzeuge erforderlich wären, die den übrigen Tag über nicht mehr benötigt würden“, sagt NVBW-Sprecherin Daniela Wagner.
Stehen bis Bad Saulgau
„Ab Herbertingen Bahnhof sind etwa 70 Fahrgäste im Zug, drei Minuten später steigen in Herbertingen Ort nochmals etwa 20 Fahrgäste ein, so dass sich ab dort für sechs Minuten etwa 90 Personen im Zug mit etwa 70 Sitzplätzen befinden. In Bad Saulgau steigen dann 50 bis 60 Personen aus, so, dass jeder, der in Herbertingen einsteigt, spätestens dann einen Sitzplatz bekommt. Wenn 20 Personen in einem Zug mit 70 Sitzplätzen für sechs Minuten stehen müssen, ist dies nach den erwähnten Vorgaben des Landes noch akzeptabel; daher ist auch nicht geplant, hier wieder einen zweiten Triebwagen einzusetzen“, sagt Wagner auf Anfrage.
Pünktlichkeit ist „nicht gut“
Die Pünktlichkeit der IRE-Linie Stuttgart–Ulm –Friedrichshafen – Lindau, die Franz Sigmund als Anschluss von Aulendorf bis Ravensburg benutzt, sei „in der Tat nicht gut“, sagt Daniela Wagner. „Zum einen kommt es auf der langen dicht befahrenen Strecke immer mal wieder zu Störungen der Infrastruktur, was Weichen oder Signale betrifft oder externe Einflüsse wie ein Baum im Gleis, zum anderen gibt es notorisch Probleme mit der pünktlichen morgendlichen Bereitstellung der Züge durch die Ulmer Werkstatt.“Der Lokwechsel in Ulm von E-Lok auf Diesellok klappe beim RE 4205 nur selten in den vorgesehenen neun Minuten. Der Anteil der fahrzeugbedingten Zugausfälle sei relativ hoch, die betagten Dieselloks der Baureihe 218 aus den späten 1970er-Jahren seien aber in den letzten Monaten weitgehend durch moderne Maschinen ersetzt worden. Dadurch erhoffe man sich eine verbesserte Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. „Es gibt empfindliche Sanktionen für die Bahn, wenn ein Zug wegen Fahrzeugmangels ausfällt; auch wenn er mehr als dreißig Minuten verspätet verkehrt, gilt er als ausgefallen und wird nicht bezahlt.“
Eine Sprecherin des Verkehrsministeriums ergänzt, dass es regelmäßig Gespräche mit der Bahn gebe, bei denen solche Problemfälle angesprochen würden und wird die mangelhafte Pünktlichkeit des RB 22801 beim nächsten Treffen ansprechen. Die Bahn beruft sich auf Aussagen der NVBW. „Jede Verspätung hat individuelle Ursachen. Aber wir bleiben dran“, sagt ein Sprecher der Bahn.