Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
FDP-Abgeordneter sieht Bildung als Kernthema der Partei
Das Scheitern von Jamaika und die mögliche Große Koalition sind Themen beim Neujahrsempfang
BAD SAULGAU - Unter dem Titel „…beinahe 100 Tage Berlin“haben die Mitglieder des FDP-Kreisverbandes Sigmaringen und ihre Gäste das neue politische Jahr in der Kleber Post in Bad Saulgau begonnen. Dazu waren der Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser und der Landtagsabgeordnete Andreas Glück als Redner eingeladen. Natürlich wurde über den Ausstieg aus der geplanten Jamaika-Koalition gesprochen.
Zur möglichen Großen Koalition sagte Strasser (MdB), dass sie nicht den Mut zu Reformen haben werde. Wie es denn sein könne, dass sich die CDU und die SPD in so wenigen Tagen einigen konnten, fragte sich Strasser. „Inwiefern unterscheiden sich noch diese zwei Parteien? Kanzlerin Merkel hat die CDU so weit nach links gedrückt, dass es keinen Unterschied mehr macht, ob man CDU oder SPD wählt“, stellte Strasser fest.
FDP-Kreisverbandsvorsitzender Siegfried Gebhardt sagte, der Ausstieg aus den Sondierungsgesprächen habe hohen Wellen geschlagen. Man müsse aber sehen, was Kanzlerin Merkel und Jürgen Trittin alles gemacht haben, damit die JamaikaKoalition nicht zustande komme. Die FDP sei ausgestiegen und habe nun wieder, was sie am liebsten möge, nämlich die Freiheit. Er kündigte an, dass er nach bisheriger Ablehnung sich in die Nutzung der neuen Medien und digitalen Techniken einarbeiten wolle. Das Grußwort der Stadt übernahm der Erste Beigeordnete Richard Striegel. Man habe nach der Wahl die Aufbruchstimmung bei der FDP gespürt. Doch sei die Parteispitze verunsichert gewesen und wollte innerhalb einer schwarz-grünen Regierung nicht die Mehrheitsbeschafferin sein. Er sprach über die Stadt Bad Saulgau: „Es ist die schönste und manchmal die größte Stadt im Landkreis“, sagte er. Seit Sigmaringen Flüchtlinge aufgenommen habe, sei Sigmaringen die größte Stadt. „Das gönnen wir den Sigmaringern“, sagte er.
Die Abgeordneten hielten ihre Reden und sprachen intensiv über die politischen Projekte und Ziele der FDP. Der Landtagsabgeordnete Andreas Glück berichtete, er arbeite neben seinem Mandat weiterhin als Chirurg im Krankenhaus. „Man weiß ja nicht, ob man in der Politik bleibt. Ich bleibe vorerst auch in meinem Beruf“, sagte er. Die FDP sei keine Wirtschaftspartei, sondern eine liberale Partei. Liberal bedeute, dass Bürger ihre Entscheidung selber tragen und verantworten, der Staat müsse sie dazu befähigen, deshalb sei Bildung ein Kernthema der FDP, erklärte Glück. Bundestagsabgeordneter Strasser berichtete, dass die ersten 100 Tage turbulent gewesen seien. Die Koalition sei nicht zu machen gewesen, weil Partner mit diametralen Wähleraufträgen am Tisch gesessen hätten. „Die Partner hatten nicht den Willen zur Koalition und die Inhalte der Papiere überzeugten uns nicht“, berichtete er.
Ohne Vertrauen kein Jamaika
Das Vertrauen konnte nicht aufgebaut werden. Es habe sich abgezeichnet, dass die im Wahlkampf versprochene politische Trendwende nicht durchgesetzt werden könne. „Es wäre eine Koalition ohne Dynamik geworden, die Kanzlerin hätte ständig die Streithähne auseinanderhalten müssen“, erklärte Strasser. So habe die FDP-Fraktion mit Christian Lindner gemeinsam beschlossen auszusteigen.
Nach den Reden stiegen die Abgeordneten unter Moderation von Martina Gruber in eine Debatte mit den Zuhörern ein. Sie wurde emotional, als ein Bürger dem Bundestagsabgeordneten Strasser die Zusage abringen wollte, für den Untersuchungsausschuss zu stimmen, den die AfD gegen Merkel einsetzen möchte. „Wir müssen mit der AfD umgehen, sie ist gewählt worden, aber das Verhalten der Abgeordneten ist erschreckender als gedacht“; berichtete Strasser. „Für den Untersuchungsausschuss argumentiere die AfD völkisch. „Das ist nicht akzeptabel“, erklärte Strasser.