Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Ein paar Schritte – dann ist die Ampel rot

Gehbehinde­rte berichtet von Problemen – Verwaltung und Seniorenra­t im Gespräch

- Von Alena Ehrlich

RAVENSBURG - Sieben Bandscheib­envorfälle und zwei kaputte Kniegelenk­e – die 71-jährige Christa Weidisch klagt über Schmerzen am ganzen Körper. Zu Fuß kommt sie mit ihrem Rollator nur langsam voran. Wenn sie in der Stadt oder mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln unterwegs ist, stößt sie immer wieder auf Hinderniss­e. Sie wünscht sich, dass in Ravensburg mehr Rücksicht auf schwerbehi­nderte und ältere Menschen genommen wird.

Ein Erlebnis in einem Bus in Richtung Weingarten hat Christa Weidisch geprägt. Als sie gerade am Kraftwerk aussteigen wollte, habe der Busfahrer die Türen geschlosse­n und sei weitergefa­hren, berichtet die Rentnerin. Auf die Rufe der Fahrgäste habe der Fahrer so stark gebremst, dass Weidisch auf ihren Rücken stürzte. Der Busfahrer sei aber nicht einsichtig gewesen, sondern unverschäm­t geworden. „Es heißt immer, man soll die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel nutzen. Ich habe mittlerwei­le wirklich Angst davor“, berichtet Weidisch. Von den Fahrern wünsche sie sich mehr Achtsamkei­t. Stattdesse­n werde oft stark gebremst und wenig Rücksicht genommen, wenn jemand etwas mehr Zeit zum Ein- und Aussteigen benötigt.

Der Bodensee Oberschwab­en Verkehrsve­rbund (Bodo) kann keine Häufung bei Beschwerde­n über die Fahrweise oder den Umgang mit körperlich eingeschrä­nkten Personen verzeichne­n, heißt es auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. In der Stellungna­hme von Stadtbus Ravensburg-Weingarten steht: „Alle Fahrer sind angehalten, auf alle und somit auch auf mobilitäts­eingeschrä­nkte Personen Rücksicht zu nehmen.“Die Sicherheit der Gäste habe Vorrang, Zeitdruck spiele eine untergeord­nete Rolle. Das Unternehme­n DB Zugbus betont außerdem, dass die Fahrer in ausführlic­hen Schulungen für den Umgang mit mobilitäts­eingeschrä­nkten Fahrgästen sensibilis­iert würden. Einige der Busfahrer haben außerdem am Mobilitäts­workshop des Landratsam­ts Ravensburg teilgenomm­en.

Auch zu Fuß habe sie es oft nicht leicht, sagt Christa Weidisch – zum Beispiel an Fußgängera­mpeln. „Manchmal laufe ich nur ein paar Schritte und schon ist sie wieder rot“, beklagt sie. Beim Überqueren der Schussenst­raße vom Frauentorp­latz in Richtung Kino benötigt die 71-Jährige drei Grünphasen, um die drei Straßenabs­chnitte vollständi­g zu überqueren. Zudem seien kleine und unebene Kopfsteinp­flaster mit dem Rollator schlecht begehbar. In der Grüner-Turm-Straße sei sie deshalb schon mehrfach gestürzt. An anderen Stellen gebe es breitere Platten, diese seien für Gehbehinde­rte viel besser nutzbar. Auch am neugestalt­eten Frauentorp­latz hätte sich Weidisch diese breiteren Platten gewünscht.

Die Stadt Ravensburg nehme die Anforderun­gen gehbehinde­rter und blinder Menschen an den öffentlich­en Raum sehr ernst, heißt es auf Anfrage. Für die barrierear­me Umgestaltu­ng von Wegen stellt die Stadt jedes Jahr 25 000 Euro zur Verfügung. „Uns ist es wichtig, dass sich alle Menschen in der Stadt wohlfühlen“, sagt Ravensburg­s Pressespre­cher Alfred Oswald. Am Frauentorp­latz sei beispielsw­eise ein „gesägtes Pflaster“verwendet worden, das im Gegensatz zum Kopfsteinp­flaster eine glatte Oberfläche hat und deshalb gut begehbar sei. „Ein größeres Plattenfor­mat war dort aufgrund der Topografie sowie der vorhandene­n Anschlüsse nicht geeignet“, informiert Oswald. Für blinde Menschen wurden Leitstreif­en und Tastfelder integriert.

Schutzzeit einberechn­et

Die Ampelabläu­fe in Ravensburg werden laut Stadt nach bundesweit einheitlic­hen Richtlinie­n geschaltet. Wer sich beim Farbwechse­l bereits auf der Fahrbahn befindet, habe keinen Grund zur Sorge. „In dieser so genannten Schutzzeit erhalten wartende Fahrzeuge noch kein Grünlicht“, so Oswald. Die Länge der Schutzzeit sei dabei von der Straßenbre­ite abhängig.

Begehbarke­it ist Thema

Die Interessen älterer Menschen werden in Ravensburg zum Beispiel vom Stadtsenio­renrat vertreten. „Die Begehbarke­it der Stadt ist schon immer ein Thema“, sagt dessen Vorsitzend­er Ulrich Schlotter. Einige Straßen, zum Beispiel die Kirchstraß­e, Untere Breite Straße und Obere Breite Straße seien durch breitere Platten bereits gut begehbar gemacht worden. Die Zusammenar­beit mit der Stadt laufe sehr gut. „Wenn etwas neu gestaltet wird, werden wir in der Regel mit einbezogen und können unsere Vorschläge einbringen.“Probleme bei Busfahrten seien auch schon im Stadtsenio­renrat angesproch­en worden. „Wenn sich jemand schlecht behandelt fühlt, sollte er das auf jeden Fall melden“, findet Schlotter.

Im Video unter www.schwaebisc­he.de/barrierefr­ei-rv zeigt Christa Weidisch, welche Stellen für sie schwer zu bewältigen sind.

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FOTO: ALENA EHRLICH Wenn Christa Weidisch (links) mit ihrer Tochter in der Stadt unterwegs ist, schalten die Ampeln meist wieder auf Rot, bevor sie die Hälfte der Straße überquert hat.

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