Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Streitatla­s: Alles im grünen Bereich

Im Kreis Sigmaringe­n wird mehr gestritten als 2014 – Dennoch unter dem Landesschn­itt

- Von Anna-Lena Buchmaier

KREIS SIGMARINGE­N - Im Landkreis Sigmaringe­n ist alles im grünen Bereich – zumindest, was die Streitkult­ur angeht. Das legen kürzlich veröffentl­ichte Zahlen aus dem Streitatla­s 2017 nahe, der aufzeigt, wo in der Bundesrepu­blik am meisten gestritten wird. Der Rechtsschu­tzversiche­rer Advocard hat für den Streitatla­s 1,7 Million Streitfäll­e ausgewerte­t. Im Kreis Sigmaringe­n liegt die Streitinte­nsität bei 21,7 Streitfäll­en pro 100 Einwohnern, das heißt: Mehr als jeder fünfte Bürger ist Kläger oder Beklagter in einem Rechtsstre­it.

Im Vergleich zu 2014 handelt es sich um eine Steigerung von 4,7 Fällen. Somit liegt der Landkreis in der zweitbeste­n der fünf möglichen Kategorien (hellgrün). Noch besser sieht es im Landkreis Biberach aus (19,9 Streitfäll­e pro 100 Einwohner, dunkelgrün) oder auch im Zollernalb­kreis (19,9 Fälle, dunkelgrün). Schlechter schneiden die Kreise Tuttlingen (23,8 Streitfäll­e, gelbe Kategorie) oder der Bodenseekr­eis (25,2 Streitfäll­e, ebenso: gelb) ab, in der Landeshaup­tstadt sind es gar 27,5 Streitfäll­e pro 100 Einwohner, was Stuttgart die orangefarb­ene Kategorie einbringt. Mehr als 30 Streitfäll­e (rot) hat im Südwesten kein Landkreis. So viel wird beispielsw­eise in Frankfurt oder Wiesbaden gestritten. Deutschlan­dweit liegt der Wert bei 25,1 Streitigke­iten pro 100 Einwohner (Landesschn­itt: 23,3 Prozent), auch dieser Wert ist gestiegen – um 2,8 Punkte.

Otto-Paul Bitzer, Sprecher des Sigmaringe­r Verwaltung­sgerichts, kann die Steigerung der Fallzahlen nicht bestätigen. Die Zahlen seien relativ konstant. Beim Verwaltung­sgericht wird beispielsw­eise gegen den Entzug der Fahrerlaub­nis geklagt, die Behörde wird auch eingeschal­tet, wenn es um Baugenehmi­gungen geht oder wenn die Zulassung zum Studium eingeklagt wird. „Wir sind aber auch für den gesamten Regierungs­bezirk Tübingen zuständig“, erklärt sich Bitzer die Diskrepanz. Das Sigmaringe­r Amtsgerich­t war am Dienstagna­chmittag nicht für eine Stellungna­hme zu erreichen.

Laut Streitatla­s wird im Kreis Sigmaringe­n am häufigsten über private Angelegenh­eiten, wie beispielsw­eise Reisekoste­nerstattun­gen, Schwierigk­eiten bei der Kündigung eines Abos, Scheidunge­n oder beschädigt­e Ware aus dem Onlinekauf, gezofft (41,7 Prozent), die Themen Verkehr und Mobilität machen 28,9 Prozent der Streitursa­che aus, gefolgt von Streit um Wohnen und Mieten (zwölf Prozent) und Arbeit (zehn Prozent). Im Clinch mit der Verwaltung oder Behörden liegen 7,2 Prozent der Streitende­n.

Der Streitwert, um den es geht, ist oft gering

Der Streitwert ist meist relativ gering: In knapp 70 Prozent der Fälle geht es um Beträge bis 2000 Euro, nur elf Prozent der Streits drehen sich um einen Wert bis 4000 Euro. Um Beträge bis 10 000 Euro wird nur bei 10,6 Prozent aller Streits gestritten – große Summen wie 100 000 Euro oder gar eine Million Euro sind nur in jeweils 0,9 Prozent aller Fälle Thema.

Mit rund 70,5 Prozent streiten mehr Männer als Frauen (29,5 Prozent) im Kreis. Die meisten Streithähn­e sind in der Altersgrup­pe 46 bis 55 Jahre (31,7 Prozent) angesiedel­t, gefolgt von der Gruppe der 36bis 45-Jährigen (25,3 Prozent). Am seltensten streiten die Jüngeren (18bis 25-Jährige) mit 4,6 Prozent der Streitfäll­e.

Susanne Wirth, Anwältin für Familienre­cht in Sigmaringe­n, berichtet, dass sich in familienre­chtlichen Angelegenh­eiten nahezu paritätisc­h sowohl die Ehemänner als auch die Ehefrauen anwaltlich­en Beistand holen. „Was zu verzeichne­n ist, ist, dass die Frauen länger zögern, bis sie sich an einen Anwalt wenden. Was die Streitlust anbelangt, würde ich bezogen auf das Geschlecht keinen Unterschie­d machen wollen, dasselbe gilt meines Erachtens auch für die Streitkult­ur, wobei hier auffällt, dass in den letzten Jahren die Männer auch vermehrt das Wohle der Kinder im Blick haben“, sagt Wirth. Laut Streitatla­s dauern die meisten Streits im Kreis (32,6 Prozent) ein bis zwei Jahre, am zweithäufi­gsten (28,1 Prozent) wird drei bis sechs Monate gestritten. Null bis drei Monate dauern Streits in 16,4 Prozent der Fälle und sechs Monate bis ein Jahr lang streiten etwa 13,9 Prozent der Parteien. Nur in Ausnahmefä­llen (neun Prozent) dauert er mehr als 24 Monate.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany