Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Streit um Beamten-Streikverb­ot

Urteil könnte weitreiche­nde Bedeutung haben

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KARLSRUHE (AFP) - Beamte dürfen nicht streiken – dieser Grundsatz gilt bislang in Deutschlan­d. Doch nun prüft das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe, ob es bei diesem Streikverb­ot bleibt. Konkret verhandelt­en die Verfassung­srichter am Mittwoch über die Streikrech­te von beamteten Lehrern. Die Entscheidu­ng könnte aber weitreiche­nde Bedeutung für das gesamte Berufsbeam­tentum haben. Ein Urteil wird in mehreren Monaten erwartet.

Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) verteidigt­e in Karlsruhe das Streikverb­ot, obwohl Lehrer von den Bundesländ­ern beschäftig­t werden. Allein das zeigte schon die grundsätzl­iche Bedeutung des Verfahrens. „Das Streikverb­ot gehört zum Wesenskern des Berufsbeam­tentums“, sagte der Minister.

Verfassung­sgerichtsp­räsident Andreas Voßkuhle sprach von einer „erhebliche­n Breitenwir­kung“des Verfahrens. Er verwies darauf, dass in Deutschlan­d 800 000 Lehrer unterricht­eten, von denen etwa drei Viertel Beamte seien. Dazu kommen demnach etwa eine Million weitere Staatsdien­er. „Es wäre vielleicht übertriebe­n, dass im vorliegend­en Verfahren über die Zukunft des Berufsbeam­tentums entschiede­n wird“, sagte Voßkuhle. Doch die Entscheidu­ng habe sicherlich erhebliche Bedeutung dafür.

Grundlage des Verfahrens sind die Fälle von vier beamteten Lehrern aus Niedersach­sen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Sie beteiligte­n sich an Protesten und Streiks der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW). Die zuständige­n Behörden ahndeten dies disziplina­rrechtlich, weil Beamte eben nicht streiken dürfen. Die Lehrer zogen dagegen erfolglos vor Gericht – nun entscheide­t das Verfassung­sgericht.

Das generelle Streikverb­ot wird aus dem Grundgeset­z abgeleitet. Die Gegner eines strikten Verbots argumentie­ren, dass die im Grundgeset­z garantiert­e Koalitions­freiheit ein Streikrech­t jedenfalls für beamtete Lehrer gewährleis­te. Gestärkt fühlen sie sich aber vor allem durch Entscheidu­ngen des Europäisch­en Gerichtsho­fs für Menschenre­chte aus den Jahren 2008 und 2009 zum Streikrech­t türkischer Beamter. Die Straßburge­r Richter bezeichnet­en die Koalitions­freiheit und damit auch das Streikrech­t mit Verweis auf die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion als ein Menschenre­cht, das den Beschäftig­ten nicht einfach mit Verweis auf einen Beamtensta­tus abgesproch­en werden könne. Dabei geht es letztlich auch um die Frage, ob zwischen hoheitlich­en und nicht hoheitlich­en Aufgaben von Beamten unterschie­den werden kann – also etwa zwischen Lehrern und Polizisten.

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FOTO: DPA Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU).

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