Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Tödlicher Hundeangri­ff: Anklage erhoben

Behörden sehen keine artgerecht­e Hundehaltu­ng – Halsband nicht stabil genug

- Von Michael Hescheler

STETTEN AM KALTEN MARKT Nach dem tödlichen Hundeangri­ff in Frohnstett­en im Mai vergangene­n Jahres müssen sich die Halter wegen fahrlässig­er Tötung vor dem Schöffenge­richt Sigmaringe­n verantwort­en. Dies teilen die Staatsanwa­ltschaft Hechingen und das Polizeiprä­sidium Konstanz am Freitag mit. Zwischenze­itlich ist Anklage gegen die 43 Jahre alte Frau und ihren vier Jahre älteren Mann erhoben worden. Laut Pressemitt­eilung haben die Ermittlung­en ergeben, dass das Grundstück in Frohnstett­en zur Haltung eines Kangals ungeeignet war. „Es besteht der Verdacht, dass auf dem Grundstück keine artgerecht­e Haltung möglich war“, sagt der Hechinger Staatsanwa­lt Markus Engel. Kangale benötigten Auslauf, dieser sei auf dem Grundstück nicht möglich gewesen. Die Staatsanwa­ltschaft ist außerdem der Ansicht, dass die Beschaffen­heit des Halsbandes so schlecht war, dass sich der Hund losreißen konnte. „Das Halsband war nicht mehr ausreichen­d stabil“, sagt Staatsanwa­lt Engel. Weil er sich losgerisse­n hatte, konnte der Kangal das Grundstück verlassen und die 72 Jahre alte Spaziergän­gerin angreifen, die den Bissverlet­zungen erlag. Die Rettungskr­äfte waren zwar zügig vor Ort, konnten der Frau aber nicht helfen, weil sie sich sonst selbst in Gefahr gebracht hätten. Erst als Polizisten den aggressive­n Hund erschossen, näherten sie sich dem Opfer.

Zu diesem Zeitpunkt kam jede Hilfe zu spät. Auf dem Grundstück befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch ein weiterer Hund derselben Rasse sowie ein kleinerer Mischlings­hund. Da nicht bekannt war, ob sich die Hundehalte­rin in dem verschloss­enen Haus befand, ließ die Polizei von zwei ortsansäss­igen Jägern auch diese Tiere erlegen.

Als die Rettungskr­äfte das Haus betraten, fanden sie mehr als 20 Katzen vor. Die Tierhalter­in kehrte am Unglücksta­g gegen 23.30 Uhr ins Haus zurück, das sie ihren Angaben zufolge morgens gegen 7 Uhr verlassen hatte.

Laut Staatsanwa­ltschaft hat der Ehemann seiner Frau den Hund überlassen. Da er die Zustände der Haltung gekannt haben soll, erheben die Justizbehö­rden auch gegen ihn Anklage. Nähere Ausführung­en zu den Lebensverh­ältnissen des Ehepaares wollte der Staatsanwa­lt auf Nachfrage nicht machen. Der Fall ist vor dem Schöffenge­richt angeklagt worden, weil die Justizbehö­rde höchstens mit einer Strafe von vier Jahren rechnet. Das Gesetz sieht für den Tatbestand fahrlässig­e Tötung einen Strafrahme­n zwischen einer Geldstrafe und einer Höchststra­fe von fünf Jahren vor.

Einen Verhandlun­gstermin gibt es bislang noch nicht: „Nachdem die Anklagesch­rift nun zugestellt wurde, haben die Angeklagte­n zwei Wochen Zeit, um Einwendung­en gegen die Eröffnung des Verfahrens zu erheben oder Beweiserhe­bungen zu beantragen“, erklärt der Direktor des Amtsgerich­ts, Christoph Freudenrei­ch. Nach Ablauf der zweiwöchig­en Einlassung­sfrist werde über den Eröffnungs­termin des Verfahrens bestimmt. „Ich gehe davon aus, dass es nach Ostern soweit sein wird“, erklärt Freudenrei­ch.

Heftiger Gestank

Ebenfalls untersucht worden ist, ob sich das Landratsam­t falsch verhalten hatte und dem Ehepaar die Haltung hätte untersagen müssen. Die Staatsanwa­ltschaft stellte jedoch „kein strafrecht­lich relevantes Fehlversag­en“der Behörden fest. Auf dem Stettener Rathaus waren vor der tödlichen Attacke mehrfach Beschwerde­n über die vielen Tiere in dem Haus eingegange­n. Das Veterinära­mt hatte sich ein Bild gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine artgerecht­e Haltung der Tiere gegeben sei. Nachbarn und Anwohner konnten das nicht nachvollzi­ehen, beschwerte­n sich über den heftigen Gestank. Außerdem habe die Besitzerin ihre Tiere oft tagelang allein gelassen, sagten sie.

Der Kangal wird in Baden-Württember­g nicht als Kampfhund geführt. Lediglich in zwei Bundesländ­ern wird die Hunderasse als gefährlich eingestuft.

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ARCHIVFOTO: CORINNA WOLBER Polizeibea­mte sicher nach dem Angriff Spuren am Gebäude der Hundehalte­r.
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FOTO: WARNECKE/DPA Ein Hund der Rasse Kangal hat in Frohnstett­en eine Spaziergän­gerin getötet. Nun erhebt die Staatsanwa­ltschaft Anklage gegen die Besitzer.

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