Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Tödlicher Hundeangriff: Anklage erhoben
Behörden sehen keine artgerechte Hundehaltung – Halsband nicht stabil genug
STETTEN AM KALTEN MARKT Nach dem tödlichen Hundeangriff in Frohnstetten im Mai vergangenen Jahres müssen sich die Halter wegen fahrlässiger Tötung vor dem Schöffengericht Sigmaringen verantworten. Dies teilen die Staatsanwaltschaft Hechingen und das Polizeipräsidium Konstanz am Freitag mit. Zwischenzeitlich ist Anklage gegen die 43 Jahre alte Frau und ihren vier Jahre älteren Mann erhoben worden. Laut Pressemitteilung haben die Ermittlungen ergeben, dass das Grundstück in Frohnstetten zur Haltung eines Kangals ungeeignet war. „Es besteht der Verdacht, dass auf dem Grundstück keine artgerechte Haltung möglich war“, sagt der Hechinger Staatsanwalt Markus Engel. Kangale benötigten Auslauf, dieser sei auf dem Grundstück nicht möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft ist außerdem der Ansicht, dass die Beschaffenheit des Halsbandes so schlecht war, dass sich der Hund losreißen konnte. „Das Halsband war nicht mehr ausreichend stabil“, sagt Staatsanwalt Engel. Weil er sich losgerissen hatte, konnte der Kangal das Grundstück verlassen und die 72 Jahre alte Spaziergängerin angreifen, die den Bissverletzungen erlag. Die Rettungskräfte waren zwar zügig vor Ort, konnten der Frau aber nicht helfen, weil sie sich sonst selbst in Gefahr gebracht hätten. Erst als Polizisten den aggressiven Hund erschossen, näherten sie sich dem Opfer.
Zu diesem Zeitpunkt kam jede Hilfe zu spät. Auf dem Grundstück befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch ein weiterer Hund derselben Rasse sowie ein kleinerer Mischlingshund. Da nicht bekannt war, ob sich die Hundehalterin in dem verschlossenen Haus befand, ließ die Polizei von zwei ortsansässigen Jägern auch diese Tiere erlegen.
Als die Rettungskräfte das Haus betraten, fanden sie mehr als 20 Katzen vor. Die Tierhalterin kehrte am Unglückstag gegen 23.30 Uhr ins Haus zurück, das sie ihren Angaben zufolge morgens gegen 7 Uhr verlassen hatte.
Laut Staatsanwaltschaft hat der Ehemann seiner Frau den Hund überlassen. Da er die Zustände der Haltung gekannt haben soll, erheben die Justizbehörden auch gegen ihn Anklage. Nähere Ausführungen zu den Lebensverhältnissen des Ehepaares wollte der Staatsanwalt auf Nachfrage nicht machen. Der Fall ist vor dem Schöffengericht angeklagt worden, weil die Justizbehörde höchstens mit einer Strafe von vier Jahren rechnet. Das Gesetz sieht für den Tatbestand fahrlässige Tötung einen Strafrahmen zwischen einer Geldstrafe und einer Höchststrafe von fünf Jahren vor.
Einen Verhandlungstermin gibt es bislang noch nicht: „Nachdem die Anklageschrift nun zugestellt wurde, haben die Angeklagten zwei Wochen Zeit, um Einwendungen gegen die Eröffnung des Verfahrens zu erheben oder Beweiserhebungen zu beantragen“, erklärt der Direktor des Amtsgerichts, Christoph Freudenreich. Nach Ablauf der zweiwöchigen Einlassungsfrist werde über den Eröffnungstermin des Verfahrens bestimmt. „Ich gehe davon aus, dass es nach Ostern soweit sein wird“, erklärt Freudenreich.
Heftiger Gestank
Ebenfalls untersucht worden ist, ob sich das Landratsamt falsch verhalten hatte und dem Ehepaar die Haltung hätte untersagen müssen. Die Staatsanwaltschaft stellte jedoch „kein strafrechtlich relevantes Fehlversagen“der Behörden fest. Auf dem Stettener Rathaus waren vor der tödlichen Attacke mehrfach Beschwerden über die vielen Tiere in dem Haus eingegangen. Das Veterinäramt hatte sich ein Bild gemacht und war zu dem Ergebnis gekommen, dass eine artgerechte Haltung der Tiere gegeben sei. Nachbarn und Anwohner konnten das nicht nachvollziehen, beschwerten sich über den heftigen Gestank. Außerdem habe die Besitzerin ihre Tiere oft tagelang allein gelassen, sagten sie.
Der Kangal wird in Baden-Württemberg nicht als Kampfhund geführt. Lediglich in zwei Bundesländern wird die Hunderasse als gefährlich eingestuft.