Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Eklig oder tierisch lecker: Insekten als Snack?
Was in vielen Ländern und Kulturkreisen auf jeden Wochenmarkt gehört oder in Supermärkten ins Sortiment, sollte von uns nicht kategorisch ausgeschlossen werden. Oft ist das Argument „ich esse doch nichts, was Augen hat“von Insekten-Gegnern zu hören. Das zeugt von Ignoranz der Fleischkonsumenten. Meiner Meinung nach schaut ein Rind um einiges treuer, wenn es sein Gras mampft, als eine Heuschrecke, während sie über die Wiese hüpft. Das ist zu bequem, sich mit dem Tier, das auf dem Teller liegt, nicht auseinanderzusetzen.
Im Thailandurlaub gab es Seidenraupe und Käfer auf die Hand. Geschmack: Raupe nussig, Käfer neutral. Außerdem eine Heuschrecke aufgespießt auf ein Holzstäbchen – die Beinchen hatte der nette Mann vorher abgezupft. Auge in Auge mit Flip, kross frittiert, glänzend braun. Ein kurzes Zögern, das gebe ich zu. Abbeißen ist nicht, das ganze Tier muss auf einmal rein. Es hat beim Kauen nur so geknuspert. Erstaunlich gut. Hauptsächlich ein Geschmack nach Sojasoße, mit der Flip vorher noch eingesprüht wurde. Kein Ekel, keine Übelkeit. Zugegeben: Stolz war ich schon auch – probiert und überlebt. Wer möchte es meinem Heldentum gleichtun? Trauen Sie sich, es könnte die Zukunft sein. Ansonsten müssen Sie statt der Schrecke auf das Heu umsteigen.
Grillen, Heuschrecken, Mehlwürmer, Raupen, Käfer und Konsorten auf dem Teller – da plagt uns doch zunächst heftig das Öko-Gewissen. Schließlich warnen Wissenschaftler, denen wir allzu gern folgen mögen, vor dem Insektensterben. Nur putzmun- ter können die Kerlchen nämlich die ihnen von Mutter Natur zugedachte Aufgabe erfüllen. Pflanzen bestäuben etwa oder leere Vogelmägen füllen. Da will man doch nicht stören. Da greifen wir lieber gleich zum saftigen Meisenknödel oder fordern gemeinsam mit den Grünen die Einführung eines Veggie-Days.
Und wenn die Tierchen extra gezüchtet werden, fernab ihrer freilebenden, nützlichen Artgenossen? Dann lassen wir ebenfalls lieber Finger und Zunge davon, denn Ekelgefühle – so die langjährige, schmerzliche Erfahrung – verursachen bei uns regelmäßig fiese Herpesattacken.
Sie meinen, wir müssten uns toleranter zeigen, aufgeschlossener gegenüber fremden Esskulturen? Tun wir doch! Wir verschlingen Pizza und Gyros, ertragen zur Not sogar einen pappigen Burger. Sie denken, die Viecher könnten recht schmackhaft sein? Mag ja stimmen, aber das sind Schnitzel, Pommes Frittes und Kartoffelchips zum Glück ja auch. Nein, nein, wir lassen uns unsere kulinarischen Vorlieben nicht madig machen!
Wer Flip nicht probiert hat, darf nicht mitreden. Von Michael Häußler Wir lassen uns unsere Essgewohnheiten nicht madig machen. Von Dirk Uhlenbruch