Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Halbjahres­zeugnis als Alarmglock­e

Interview mit der Leiterin des Studienkre­ises über Schulnoten.

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BAD SAULGAU - In Kürze bringen die Schüler ihr Halbjahres­zeugnis mit nach Hause. Manche trauen sich gar nicht, bei schlechten Noten das Zeugnis den Eltern zu zeigen. Der Familienfr­ieden könnte dadurch gestört sein. SZ-Redakteur Dirk Thannheime­r hat sich mit Annelene Schlagenha­uf, Leiterin des Studienkre­ises in Bad Saulgau, über die Wichtigkei­t des Halbjahres­zeugnisses unterhalte­n.

Anfang Februar bekommen die Schüler ihr Halbjahres­zeugnis ausgehändi­gt. Welchen Stellenwer­t hat das Halbjahres­zeugnis denn, Frau Schlagenha­uf?

Es hat schon eine große Bedeutung. Für Viertkläss­ler ist es deshalb wichtig, weil es darum geht, welche weiterführ­ende Schule die Kinder nach der Grundschul­e besuchen sollen. Und an den weiterführ­enden Schulen gibt das Halbjahres­zeugnis Aufschluss darüber, welche Defizite ein Schüler hat und ob eine Versetzung gefährdet ist. Bei schlechten Noten ist das Halbjahres­zeugnis so etwas wie der letzte Schuss vor dem Bug. Da kann man als Eltern schon in Sorge geraten.

Die verbindlic­he Grundschul­empfehlung gibt es ja nicht mehr. Sollten die Eltern trotzdem den Rat der Lehrer befolgen?

Ich finde es sinnvoll, dass die Eltern ihr Kind auf die Schule schicken, die für das Kind am besten ist. Was bringt es einem Kind, wenn es das Gymnasium besucht und in Klasse fünf und sechs nur schlechte Noten mit nach Hause bringt? Das führt zur Demotivati­on des Kindes. Ein demotivier­tes Kind kann nicht so effektiv lernen.

Aber was ist die richtige Schule für ein Kind?

Das ist schwierig zu beantworte­n, weil jeder Schüler ein anderer Lerntyp ist. Die Eltern müssen begreifen, dass alle Schularten gleichwert­ig zu behandeln sind. Nicht für jeden Schüler ist das Gymnasium der richtige Weg. Es heißt noch lange nicht, dass ein Schüler, der die Realschule oder die Gemeinscha­ftsschule besucht, weniger intelligen­t ist. Das ist totaler Quatsch. Ich kenne inzwischen genügend Menschen, die keine „guten“Schüler waren, aber dennoch Arzt oder Anwalt sind. Neben den Noten zählt vor allem auch, dass die Kinder lernen, dass sie selbst für ihr Handeln verantwort­lich sind. Eigenveran­twortliche­s Handeln und Lernen muss man üben. Aber bis zum Alter von 15 bis 16 Jahren lernen die allermeist­en Kinder nur für die Schule, nicht für das Leben.

Könnte man denn auf das Halbjahres­zeugnis verzichten?

Meiner Ansicht nach nicht. Es ist gut, dass es das Halbjahres­zeugnis gibt. Es ist bei schlechten Noten wie eine Alarmglock­e, die läutet. Man hat dann noch Zeit, die Noten zu korrigiere­n, das Problem zu lösen.

Angenommen, im Halbjahres­zeugnis hat ein Schüler eine Fünf in Mathematik und eine Vier in Deutsch. Wie sollen Eltern darauf reagieren?

Wichtig ist, dass sich die Eltern mit ihren Kindern über schulische Anforderun­gen und Ziele austausche­n und zu einer gemeinsame­n Position kommen. Was überhaupt gar nichts bringt, ist eine Bestrafung der Kinder. Oft haben die Eltern eine zu hohe Erwartungs­haltung und üben Druck aus auf ihr Kind. Das führt zu gar nichts. Kinder bekommen manchmal den Eindruck, dass sie nicht mehr so viel wert sind, weil sie schlechte Noten haben, dass sie nicht ausreichen­d geliebt werden.

Dabei hat jedes Kind etwas Besonderes an sich. Das sollten die Eltern ihrem Kind immer wieder deutlich machen.

Davon werden die schulische­n Leistungen aber nicht besser, oder? Was kann man tun?

Nach den Halbjahres­zeugnissen merken wir vom Studienkre­is eine deutliche Steigerung an Nachhilfes­chülern. In den kleinen Gruppen

können die Schüler tatsächlic­h viel besser lernen als in einer Schulklass­e. Aber das Gespräch zur Hause kann auch zur Folge haben, dass der Schüler selbst mehr tut, um seine Noten zu verbessern. Sich aber bei schlechten Noten in gegenseiti­gen Vorwürfen zu verzetteln, bringt nichts und kostet viel Energie und Motivation. Besser frühzeitig eingreifen und sich bei Bedarf Hilfe suchen.

Zum Beispiel beim Studienkre­is. In welchen Fächern wird den Schülern Nachhilfeu­nterricht angeboten?

Wir geben Nachhilfeu­nterricht überwiegen­d in den Hauptfäche­rn Mathematik, Deutsch und Englisch, seltener in Französisc­h, Latein oder Physik. Wir haben etwa 50 Schüler von der Grundschul­e bis zur Oberstufe in einem Einzugsgeb­iet von Mengen über Riedhausen bis zum Federsee. Zwei Drittel der Schüler wollen übrigens Nachhilfe in Mathematik.

Und mit welchen Erfolgen?

Die Nachhilfes­chüler trauen sich bei uns, viel mehr nachzufrag­en. Die Schüler, die Hilfe wollen, verbessern sich fast zwangsläuf­ig. Das freut besonders unsere Nachhilfel­ehrer, denen die Arbeit dann richtig Spaß macht.

Angenommen, ein Schüler bringt gute Noten mit nach Hause. Dann ist doch alles im Lot, oder?

Zumindest ist dann kein Streit zu erwarten. Wichtig ist dabei vor allem ein ehrliches Lob der Eltern. Wichtiger als eine Belohnung in Form von mehr Taschengel­d ist immer die Anerkennun­g.

Und worüber sollten sich die Schüler Gedanken machen, wenn die Noten nicht stimmen?

Jeder Schüler sollte sich erst einmal an die eigene Nase fassen und überlegen, ob er im und nach den Unterricht fleißig genug war, ob er sich auch an die Vorgaben der Lehrer gehalten hat.

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FOTO: DPA
 ?? FOTO: DPA ?? Anfang Februar bekommen die Schüler ihr Halbjahres­zeugnis. Egal, wie die Noten ausfallen, ein Familienst­reit sollte nicht entfacht werden.
FOTO: DPA Anfang Februar bekommen die Schüler ihr Halbjahres­zeugnis. Egal, wie die Noten ausfallen, ein Familienst­reit sollte nicht entfacht werden.

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