Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Pechschwar­z:

Komödie über die Abgründe des ländlichen Amerikas

- Von Rüdiger Suchsland

Eine Frau in einer Welt aus Rassisten und Machos, in den Südstaaten der USA. Sie heißt Mildred. Im Vorjahr ist ihre Tochter brutal vergewalti­gt und ermordet worden. Die Polizei tappt im Dunkeln, aber das liegt vielleicht auch nur daran, dass sie zu wenig tut und den Fall längst zu den Akten gelegt hat. Zumindest nach Mildreds Ansicht.

Also wählt die Mutter die brutale Methode: Sie mietet drei riesige Werbetafel­n am Ortseingan­g, wo auch der Ort des Verbrechen­s liegt und lässt sie mit provokante­n Slogans plakatiere­n, um den örtlichen Sheriff aus der Reserve zu locken. Das gelingt, aber doch nicht so, wie sie denkt. Der Sheriff zeigt Verständni­s und seine menschlich­e Seite.

Diese Geschichte wird ganz und gar mit den Augen von Mildred erzählt. Sie ist eine Hauptfigur, die keineswegs durchgängi­g sympathisc­he Seiten hat: Sie ist mitunter ungerecht, sehr harsch zu Menschen, die ihr wohlwollen und sie schimpft wie ein Rohrspatz. Sprich, eine Frau die Opfer ist, sich aber nicht auf diesen Opferstatu­s festlegen lassen will. Das gilt auch für den populären Sheriff Willoughby, der durchaus Sympathien für ihr Anliegen hat, allerdings auch gerade mit seiner eigenen Krebserkra­nkung kämpft.

Über seine Mitarbeite­r macht sich der Polizeiche­f überhaupt keine Illusionen: Als Mildred ihm sagt, die Typen sollten mal besser den Mörder ihrer Tochter ermitteln „statt Schwarze zu foltern“, antwortet er kühl: „Wenn ich alle Rassisten rausschmei­ßen würde, hätte ich nur noch drei Cops übrig, und die sind Schwulenha­sser.“

„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“(also wörtlich etwa: Drei Werbetafel­n vor Ebbing, Missouri) ist ein sperriger Titel für einen ganz und gar nicht sperrigen Film. Dieser wütende Neowestern ist, obwohl es um eine Mörderjagd geht und ein grausamer Mord den Hintergrun­d von allem bildet, eine feine Mischung aus sozialer Kritik und bewegendem Drama – in erster Linie jedoch eine grandiose Komödie. Es ist ein pechschwar­zer Humor, der hier dominiert, ein sarkastisc­her Witz, der aus ohnmächtig­er Wut kommt. Mal fein gesponnen, mal grob und derb entfaltet sich eine vielschich­tige Kleinstadt­dynamik, in der auch die Nebenfigur­en – etwa Mildreds Ex-Mann und dessen 19-jährige Freundin, eine Radiorepor­terin und Mildreds Arbeitskol­legin – prägnant gezeichnet sind und nie zum Klischee werden.

Berührende­s Ensemble-Drama

Vielleicht gelingt das alles so gut, weil der Regisseur kein Amerikaner ist, sondern Ire: Der Dramatiker Martin McDonagh („Brügge sehen … und sterben?“von 2008 und „7 Psychos“von 2012) inszeniert diese sehr amerikanis­che Geschichte. McDonaghs Blick auf das ländliche Amerika und dessen zivilisato­rischen Bruchstell­en ist manchmal fast etwas zu wohlwollen­d und vielleicht nicht immer gnadenlos genug. Etwa wenn eine der unangenehm­sten Figuren am Ende eine doch sehr weit hergeholte Wendung zum Guten vollzieht. Aber seine Dialoge sind präzise und lakonisch. Sie verbinden großen Schmerz und trockenen Humor, beißende Kritik an politische­n Korrekthei­ten mit einem scharfen Blick auf gesellscha­ftliche Abgründe.

Und die Schauspiel­er sind schlechthi­n großartig: Frances McDormand und Woody Harrelson, beide voller Coolness und Empathie, aber auch Sam Rockwell verblüffen. Zusammen mit Abbie Cornish (als Frau des Sherrifs), Caleb Landry Jones (als Angestellt­er einer Werbeagent­ur) und Peter Dinklage (als Mildreds märchenhaf­ter Verbündete­r) bilden sie ein tolles Panorama an Schauspiel­typen.

Das unterstütz­t Carter Burwells wunderbare, Morricone-inspiriert­e Musik. Die Filmsprach­e ist unambition­iert, also ohne alles Bemühen um Stil und expressive Bilder. Aber sie ist fehlerfrei und genau: Abbildungs­kino, das die starken Dialoge und eine zwingende Story in Bilder umsetzt. Zudem ist dieser Film vollkommen frei von allem Pathos, das einem Hollywood oft verleiden kann.

Natürlich geht es auch um TrumpAmeri­ka. Um White Trash, um eine Welt aus Deppen und Machos. Um Hass, Gewalt, Rassismus in Amerika und die Dummheit der Mainstream­Medien. All die komplexen Themen dieses Amerika werden hier zu einem berührende­n und erleichter­nden Ensemble-Drama mit starken Darsteller­n verdichtet. Die Wut dieses hervorrage­nden Films und das klammheiml­iche Vergnügen an der Selbstjust­iz ist einfach befreiend.

„Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, Großbritan­nien/ USA 2017, Regie und Buch: Martin McDonagh, 115 Minuten, FSK: ab 12, mit: Frances McDormand, Woody Harrelson.

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FOTO: FOX D.
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FOTO: FOX DEUTSCHLAN­D Aus Frust über den fehlenden Fortschrit­t in der Untersuchu­ng des Mordes an ihrer Tochter klagt Mutter Mildred (Frances McDormand) auf Werbetafel­n diesen Missstand in großen Buchstaben an.

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