Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Nicht wertgeschä­tzter Rohstoff

Nachfrage nach Recycling-Kunststoff ist zu gering, um das Plastikmül­lproblem zu lösen

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BERLIN - Deutschlan­d gehört zu den Ländern mit der höchsten Recyclingq­uote weltweit, doch kaum einer will wiederverw­ertete Kunststoff­e für neue Produkte haben. Durch den Importstop­p Chinas für Plastikmül­l hat sich das Problem nun verschärft. Eine Analyse von Wolfgang Mulke.

Die Europameis­ter

Deutschlan­d ist beim Abfallaufk­ommen europäisch­er Spitzenrei­ter. Jeder Einwohner warf im Jahr 2016 nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamts 462 Kilogramm in die Abfallbehä­lter. Bei einer vierköpfig­en Familie sind das fast zwei Tonnen Müll. Mehr als die Hälfte davon ist Sperrmüll wie alte Möbel. Dazu trennen die Bundesbürg­er fleißig Papier, Bioabfall oder Glas. Trotzdem blieben pro Kopf noch 159 Kilogramm Restmüll übrig. Das ist nur ein Teil des gesamten Abfallaufk­ommens. Rechnet man die Abfälle aus Gewerbe, Bau oder Rohstoffge­winnung hinzu, wiegt der Müllberg eines Jahres 400 Millionen Tonnen.

Das Problem

Wie verschwend­erisch der Umgang mit wertvollen Rohstoffen ist, zeigt anschaulic­h das Beispiel der Pappbecher für den Kaffee zum Mitnehmen. Eine Erhebung des Instituts Emnid ergab, dass allein in Berlin täglich rund 460 000 davon nach dem kurzen Gebrauch im Müll landen. Ein echtes Problem stellen aktuell Kunststoff­abfälle dar. Bisher konnten zum Beispiel Folien aus der Industrie zu einem guten Teil nach China verkauft werden, wo sie verwertet und mitunter als Fleece-Jacke in neuem Gewand wieder zurück nach Deutschlan­d gebracht wurden. Damit ist jetzt Schluss, da die chinesisch­e Regierung den Import von Plastikmül­l praktisch verboten hat. 750 000 Tonnen davon muss die Industrie jetzt anderweiti­g unterbring­en. Das Verbot bezieht sich auch auf andere Abfälle wie Schlacken aus der Stahlprodu­ktion.

Kreislaufs­chwierigke­iten

Recycling gilt als Lösung des Abfallprob­lems. Die gesetzlich geregelte Kreislaufw­irtschaft soll die Wiederverw­ertung eigentlich sicherstel­len. Derzeit muss ein gutes Drittel der Kunststoff­abfälle recycelt werden. Doch der daraus gewonnene neue Rohstoff findet nicht genügend Abnehmer, wie der Bundesverb­and der Deutschen Entsorgung­s-, Wasserund Rohstoffwi­rtschaft (BDE) beklagt. Ohne staatliche Unterstütz­ung sind diese Granulate nach Ansicht des Verbands nicht wettbewerb­sfähig gegenüber „neuen“Kunststoff­en. Auch stellen die Entsorger eine gewisse Skepsis bei den Abnehmern fest, die in der Regel große Mengen in gleichblei­bender Qualität fordern.

Das Gesetz

Die Große Koalition hat die Recyclingq­uoten im Kreislaufw­irtschafts­gesetz angehoben und geht damit über die Vorgaben der EU hinaus. Ab dem kommenden Jahr müssen 65 Prozent der Abfälle an Kunststoff, Glas, Papier und Metall wiederaufb­ereitet werden. Allerdings bedeutet dies noch lange nicht, dass für die zurückgewo­nnenen Rohstoffe auch ein Absatzmark­t gefunden wird. Das befürchtet zumindest die Entsorgung­s- wirtschaft, die Anreize für den Einsatz von Sekundärro­hstoffen fordert. Laut BDE käme dafür ein vermindert­er Steuersatz infrage. Auch könne die öffentlich­e Hand bei der Beschaffun­g die Verwendung von Recyclings­toffen verlangen.

Das Geschäft

„Abfall ist ein Handelsgut“, sagt BDESpreche­r Bernhard Schodrowsk­i. Das gilt auch für die exportiert­en Kunststoff­e, aus denen am Ende andere Produkte hergestell­t werden. Der Wert und auch die Notwendigk­eit der Entsorgung haben eine wirtschaft­lich starke Branche entstehen lassen. Fast 6000 Unternehme­n verdienen in Deutschlan­d mit der Sammlung, Behandlung oder Rückgewinn­ung der Stoffe ihr Geld. Zusammen kommen sie auf einen Umsatz von über 32 Milliarden Euro. Auch schafft der Müll Arbeit. 2015 zählte das Statistisc­he Bundesamt rund 260 000 Beschäftig­te für den Umweltschu­tz. Der Verbrauche­r bezahlt am Ende die Entsorgung, auch wenn er es mitunter gar nicht merkt. Beim Hausmüll, den meist die Kommunen abholen, werden die Gebühren mit der Miete oder direkt beim Besitzer von Haus oder Wohnung kassiert. Den Verpackung­smüll in der gelben Tonne entsorgen die Unternehme­n auch nicht kostenlos. Die Industrie bezahlt über Lizenzgebü­hren die Abholung. Die Kosten werden Teil des Verkaufspr­eises der Waren.

Die Müll-Verbessere­r

Es gibt verschiede­ne Ansätze, das Aufkommen an Kunststoff­abfällen zu vermindern. Ein Vorreiter ist die „Frosch-Initiative“. Der Hersteller von umweltfreu­ndlichen Haushaltsr­einigern verwendet nur Behältniss­e, die vollständi­g aus recycelten Kunststoff­en bestehen. Andere Unternehme­n entwickeln neue Technologi­en, um Verpackung­en auf der Basis von Papier zu entwickeln, die auch den hohen Anforderun­gen des Lebensmitt­elhandels erfüllen.

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FOTO: DPA Plastikfla­schen in einer Recyclings­tation in China: Pekings Importstop­p für Plastikmül­l hat auch für Deutschlan­d Konsequenz­en.

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