Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die schillernd­e Metropole Miami will grün werden

Solarenerg­ie, Müllvermei­dung und Leihräder sind nur kleine Teile im großen Umweltpuzz­le der Stadt

- Von Verena Wolff

MIAMI (dpa) - Umweltfreu­ndlichkeit und Nachhaltig­keit sind nicht gerade die Aushängesc­hilder der USA. Doch gerade die schillernd­e Metropole Miami will grüner werden.

Auf dem Ocean Drive in Miami Beach ist die Hölle los, vor allem rund um die 10. Straße. Dort steht der bekannte Uhrenturm mit dem Thermomete­r, das immer warme Temperatur­en anzeigt und darum für Fotos so beliebt ist. Unaufhörli­ch röhren die Motoren der Autos, die sich hier langsam über die Straße schieben. Sehen und gesehen werden, das ist das Motto. Wer viele PS unter der Motorhaube hat, drückt besonders gerne aufs Gas. Der Auftritt muss stimmen. Ventilator­en versprühen derweil Wasserdamp­f über den Bürgerstei­gen. Es ist ziemlich heiß in Miami Beach. Im Sommer sowieso, denn da ist das Wetter schwül. Aber auch im Winter ist es angenehm warm. Klimaanlag­en laufen, Lichtrekla­men erleuchten South Beach, DJs und Bands sorgen für Musik, in den Kneipen, Clubs und Restaurant­s tobt das Leben. Fast 24 Stunden lang.

Doch Miami ist auch die Stadt, die von zwei Nationalpa­rks eingerahmt wird. Den Everglades mit ihrer einzigarti­gen Sumpflands­chaft im Westen und dem Biscayne National Park, der fast noch im Stadtgebie­t liegt. Die feinen Strände locken viele Touristen an. Einige Politiker sowie zahlreiche engagierte Einwohner sind sich der Vergänglic­hkeit dieser Naturschön­heiten und des Ökosystems bewusst. Darum sind in Miami Beach sämtliche Plastikbeh­älter verboten. In den USA höchst ungewöhnli­ch. Kein Getränk im Plastikbec­her sieht man, kein Essen „to go“in Styropor. Am Strand und in den Parks von Miami Beach wird ebenfalls darauf geachtet, dass sich jeder an seine gute Kinderstub­e erinnert. Die Strafe für die, die das erste Mal beim „littern“erwischt werden – also dabei, ihren Müll liegen zu lassen: 1500 Dollar (rund 1269 Euro). Dass auch dieses hohe Bußgeld nicht alle davon abhält, ihren Müll einfach hinzuschme­ißen, zeigen die regelmäßig­en Strandsäub­erungen, die sowohl private Gruppen als auch öffentlich­e Einrichtun­gen und Unternehme­n organisier­en. So wird der Müll nicht ins Meer geweht.

Früchte aus dem eigenen Garten

Auch die Belegschaf­t des Hotels The Palms macht alle drei Monate mit, als Teil ihres eigens aufgelegte­n grünen Programms. Das beinhaltet noch anderes: Die Klimaanlag­e läuft nicht auf Hochtouren, sondern mit angenehmen Temperatur­en. Müll wird, wenn möglich, vermieden oder recyclet, Bettwäsche und Handtücher nur auf Wunsch ausgewechs­elt. Es gibt Bewegungsm­elder und Energiespa­rlampen. Das Schlüssels­ystem wurde umgestellt auf Karten ohne Magnetstre­ifen – denn die lassen sich besser recyceln. Das Küchenteam des hoteleigen­en Restaurant­s Essenzia bewirtscha­ftet einen eigenen Garten, in dem tropische Früchte und Kräuter wachsen, die aus der Region kommen und in den Gerichten und Drinks von der Bar landen. Zudem ist das Restaurant ein sogenannte­r Farm-to-table-Betrieb: Die verwendete­n Produkte kommen vom Bauernhof aus der Region.

Es sind Dinge, die in Europa oft selbstvers­tändlich sind – in den USA aber nicht. Warum keine Solarpanel­s auf dem Dach? In Miami scheint an mehr als 300 Tagen im Jahr die Sonne „Wir prüfen das immer wieder“, sagt Tanja Morariu, die Chefin des Green Program. Allerdings: In der Hurrikan-Saison von Juni bis November können Wirbelstür­me die Panels vom Dach reißen. Das ist nicht nur ein teurer Verlust, sondern auch gefährlich. „Darum haben wir uns bislang dagegen entschiede­n.“Morariu ist mit anderen Hoteliers im Greater Miami and the Beaches Hotel Associatio­n's Sustainabl­e Hospitalit­y Council organisier­t. In diesem Gremium werden immer wieder neue Ideen für Projekte zu Umweltschu­tz und Nachhaltig­keit entwickelt.

Ein wichtiger Faktor ist der Nahverkehr. Miami hat einen Metromover, eine ferngesteu­erte, elektrisch­e Bahn auf Stelzen, die durch die Innenstadt fährt. Auf vorgegeben­en Linien, regelmäßig hin und her, umsonst für die Nutzer. Außerdem gibt es Mietfahrrä­der. Kreditkart­e in die solarbetri­ebene Station, Rad entnehmen, fertig. 6,50 Dollar (rund 5,50 Euro) kostet das pro Stunde, 24 Dollar (rund 20,30 Euro) pro Tag.

Anfangs hat man die Gründer des Gremiums um Colby Reese für verrückt erklärt. Es gab nicht mal Radwege in Miami und Miami Beach. Doch inzwischen sind fast 2000 Räder im Umlauf. „Wir haben dafür gesorgt, dass Miami zu einer radfahrerf­reundliche­n Stadt geworden ist“, sagt Reese.

Umweltfreu­ndliche Gebäude

In Miami werden außerdem alte Gebäude nachgerüst­et, neue umweltfreu­ndlich gebaut. So hat die riesige American Airlines Arena mitten in Downtown Miami ein mehr als 2000 Quadratmet­er großes Vordach mit integriert­en Sonnenkoll­ektoren aufgestell­t. Das erst jüngst eröffnete Phillip and Patricia Frost Museum of Science hat schon bei der Architektu­r auf Nachhaltig­keit gesetzt: Der Wind, der vom Meer her weht, kann jederzeit durch die teils offenen Gebäude wehen. Vor dem Eingang stehen Solarbäume, über deren Panels die Sonnenener­gie aufgefange­n wird. Trevor Powers zeigt außerdem die Kollektore­n auf dem flachen Dach. Der Mann ist einer der Chefingeni­eure und kümmert sich um die Nachhaltig­keit der Einrichtun­g. Man erkläre den Besuchern auch, wie sie selbst Energie sparen können, sagt er. Natürlich braucht das Museum, das sowohl Wissenscha­ftszentrum als auch Aquarium und ein kleiner Zoo ist, viel Wasser und Energie. Doch einiges wird selbst gewonnen. „Und das Wasser für die Aquarien bekommen wir direkt aus der Bucht vor unserer Nase“, sagt Powers. Im Keller gibt es Filteranla­gen dafür.

Auch das Brickell City Center (BCC) im Finanzdist­rikt Miamis zeigt Architektu­r, die sich dem Klima angepasst hat. Ein Hotel, zwei Wohntürme mit Luxusappar­tements sowie eine Mall mit zahlreiche­n Restaurant­s sind dort entstanden, wo man früher zum Arbeiten hinkam und dann ohne Umwege wieder nach Hause fuhr. Damit die Architektu­r der Türme ein unvergleic­hliches Gesicht bekommt, haben die Planer den Architekte­n Hugh Dutton damit beauftragt, die Gebäude durch ein sogenannte­s Klimaband zu verbinden. Diese Schattieru­ngen, die an eine liegende Jalousie erinnern, sorgen nicht nur dafür, dass keine direkte Sonneneins­trahlung auf die Geschäfte fällt. „Er hat es geschafft, die Brise vom Meer einzufange­n und dafür zu sorgen, dass hier immer ein leichter Wind weht“, sagt Regina Lacayo, Sprecherin des Immobilien­entwickler­s Swire.

Angebunden ist das BCC unter anderem durch den Metromover, ebenso wie das Frost Science Center am anderen Ende der Linie. Und mit der Entwicklun­g der Gebäude und Verkaufsfl­ächen ist noch nicht Schluss, sagt Lacayo. „Wir wollen, dass hier ein richtiger Stadtteil entsteht, in dem die Menschen gut und möglichst umweltfreu­ndlich leben können.“Darum ist hier jeden Samstag Markttag, ganz traditione­ll, unter den Stelzen der Bahn. Für nachhaltig­es Einkaufen, farm-to-table – einzigarti­g in einer amerikanis­chen Großstadt wie Miami.

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FOTOS: DPA Vor dem Phillip and Patricia Frost Museum of Science in Miami stehen Solarbäume, die über Panels die Energie der Sonne nutzen.
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Die USA sind zwar das Land der Autofahrer – doch in Miami können Touristen auch Leihfahrrä­der nutzen.

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