Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Jahreslosung aus dem Buch der Offenbarung
Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. So lautet die Jahreslosung für das Jahr 2018 aus dem Buch der Offenbarung des Johannes Kapitel 21, Vers 6.
Umsonst – das ist das Wort, das uns alle elektrisiert. Wo es etwas umsonst gibt, da finden sich die Leute ein. Das Wort spielt mit der berechtigten Hoffnung, dass es ein Leben jenseits von kaufen, bezahlen müssen und Rechnungen gibt. Aber oft wird diese Hoffnung zur Verführung benutzt. Und es stellt sich heraus, dass eine Absicht steht hinter dem verlockenden Angebot. Welche Absicht steht hinter dem Wort der Jahreslosung?
Gott verspricht Wasser, das den Durst stillt, lebendiges, sprudelndes, frisches Wasser aus der klaren Quelle. Sie sprudelt im neuen Jerusalem. Diese neue Stadt ist das Hoffnungsbild des Sehers Johannes. Jetzt schon, in den kleinen Gemeinden im ersten Jahrhundert in der römischen Provinz Asia, an die Johannes schreibt, ist es Wirklichkeit. Obwohl das historische Jerusalem gerade von Rom in Trümmern gelegt wurde, die Bewohner gemordet, versklavt, der Landstrich verwüstet wurde.
Das neue Jerusalem ist ein Gegenbild des Johannes. Er sieht es im Durchhalten dieser kleinen Gesellschaften gegen das mächtige römische Weltreich. Das Imperium kennzeichnet er mit einem anderen Bild, der „Hure Babel“. Das meint, ein untreues System, in dem die Mächtigen um des eigenen Profits willen das Recht mit Füßen treten. Die unter Gottes besonderem Rechtsschutz stehen, Flüchtlinge, alleinstehende Frauen, Kinder ohne Eltern, kommen unter die Räder. Johannes kennzeichnet das Klima im Imperium mit diesem Bild von der „Hure Babel“als ein Klima allgemeiner Käuflichkeit und allgemeiner Begehrlichkeit. Der vom militärisch abgesicherten Welthandel angefachte Drang nach Geld und Waren macht alle süchtig. Die Metropolen werden reich, die Ränder arm. Jeder und jede will Geschäfte machen; alle wollen Anteil haben an ein bisschen Reichtum. Alle Welt ist berauscht vom Kaufen und Verkaufen und hält dies für die wahre Wirklichkeit, das wahre Leben, nach dem die Lebensjagd gehen muss.
Dem verweigern sich die kleinen christlichen Gemeinden und werden verfolgt. Und Johannes bestärkt und tröstet sie darin. In Aufnahme biblischer Traditionen bringt Johannes Gott ins Spiel und lädt ein, mit dem Propheten Jesaja, seinen Lebensdurst dort zu stillen, wo es ein Leben ohne die alles bestimmende Macht des Geldes gibt: im neuen Jerusalem, der neuen Gesellschaft derer, die die Gewaltgeschichte abbrechen lassen. Deren Sieg im Überwinden dieser Geschichte liegt und die deshalb nicht übereinander herrschen müssen, sondern geschwisterlich miteinander leben. Dort ist das wahre Leben zu finden, dort wird der Lebensdurst gestillt, nicht in der verkehrten Wirklichkeit imperialer Macht. Damals und heute.
Dort gibt es Möglichkeiten, den auf Ausplünderung beruhenden Welthandel zu durchbrechen, indem Das Sonntagsläuten faire Waren angeboten werden, die zu fairen Bedingungen produziert werden: Arbeit, von der es sich leben lässt. Und die Möglichkeit sich zu Teilen herauszunehmen aus dem Schuldzusammenhang.
Tore stehen offen
Es gibt geschwisterliche Hilfen in allen Lebenslagen, Menschen, die einander beistehen, ohne die Frage zu stellen: Was bringt es mir ein? Die Vielfalt der Lebensmöglichkeiten wird geschätzt und es gibt keine Normen, an denen Menschen gemessen und aussortiert werden. Im neuen Jerusalem gibt es zwölf Tore und sie stehen offen. Sie stehen für das neu erstandene Zwölf-Stämme-Volk, Zugang zum neuen Jerusalem gibt es also nur als Zugang zu Israel. Gott selber wohnt da. Es braucht keine Gottesmittler, die ganze Stadt ist ein Tempel. Eine Traumwelt? Eher der Versuch eines Ohnmächtigen, anzuschreiben gegen den Triumph der Gewalt, die in vielen Kriegen des Erdteils über Leichen geht. Der Versuch, nicht den Weltmächten das letzte Wort zu lassen, sondern die Geschichte offenzuhalten für den kommenden Gott. Und heute schon zu leben, was seine Zukunft bringt. Wer dürstet nach diesem Traum und ehrlich danach sucht, wo er sich leben lässt, der macht die Erfahrung:
Gott gibt von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.
Keine andere Absicht steht hinter dem Wort der Jahreslosung als diese: den eigenen Lebensdurst ernst zu nehmen und sich mutig auf die Suche zu machen nach der Quelle, die ihn stillen kann. Es gibt sie. Eine Rechnung wird dafür nicht präsentiert, das ist das Versprechen.