Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Über 5900 Babys auf die Welt geholfen
Hebamme Berta Lacher verstirbt im Alter von 91 Jahren
FULGENSTADT - Berta Lacher, geborene Baur, ist am 27. Januar im Alter von 91 Jahren gestorben. Als selbstständige, später am Krankenhaus in Saulgau angestellte Hebamme, hat sie während ihrer langjährigen Tätigkeit als Hebamme über 5900 Babys auf die Welt geholfen.
Berta Lacher ist in Fulgenstadt als eines von fünf Kindern von FranzXaver und Maria Baur zur Welt gekommen. Weil die drei Brüder in den Krieg mussten, übernahm Berta mit ihrer Schwester viele Arbeiten auf dem Hof. Sie lernte zunächst Kinderpflegerin, was heute in etwa dem Beruf der Erzieherin entspricht. Anschließend arbeitete sie in einem Arzthaushalt. Als Ulm bombardiert wurde, kam sie zurück nach Fulgenstadt.
Eine ältere Hebamme am Ort habe sie immer wieder angesprochen, ob sie nicht Hebamme und damit ihre Nachfolgerin werden wolle, erzählt Tochter Maria Lacher. Trotz der Vorbehalte der Mutter habe sie die Hebammenschule in Stuttgart besucht und dort ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. 1954 begann sie von Fulgenstadt aus mit der Tätigkeit als Hebamme. Damals, so Maria Lacher, hätten Hebammen noch Verträge mit Bürgermeistern abschließen müssen, damit sie bei Hausgeburten auf dem Gemeindegebiet zugelassen waren. Berta Lacher hatte Verträge unter anderem mit Herbertingen, Hundersingen, Marbach, Fulgenstadt, Wolfartsweiler. Saulgau betreute sie mit Kolleginnen.
„Da gab es oft keinen Sonntag, kein Weihnachten, kein Ostern und keinen Geburtstag“, erzählt die Tochter. In der Regel hätten die wer- denden Väter ans Fenster geklopft. Auf den Satz „Berta, es geht los“machte sich die Mutter auf den Weg. Zuerst zu Fuß, später mit dem Fahrrad, lange Zeit mit einem Roller, schließlich mit einem schwarzen VW Käfer. Engen Kontakt habe sie mit den Landärzten in der ganzen Region gepflegt. Bei Komplikationen musste ein Arzt geholt werden. Ohne Hilfsmittel der modernen Medizin wie Ultraschall- oder Blutuntersuchungen war Berta Lacher vor allem auf das Abhorchen der Herztöne und ihren reichen Erfahrungsschatz angewiesen. Mit Äther konnten die Schwangeren bei schwierigen Geburten betäubt werden. „Gott sei dank habe ich das alles so hingebracht“, habe die Berta Lacher gesagt, als ihre berufliche Tätigkeit hinter ihr lag.
Dabei musste Bert Lacher schwere Zeiten durchstehen. 1956 hatte sie geheiratet, 1958 wurde die Tochter Maria geboren, und 1960 starb ihr Mann an einer nicht richtig erkannten Vergiftung. Eine Wiederheirat kam für Berta Lacher nicht in Frage. Maria Lacher erinnert sich noch heute, wie sie als kleines Mädchen hinter dem schwarzen Käfer herlief, um ihre Mutter zurückzuhalten. Aber die alleinerziehende Mutter musste in den Einsatz.
Als die Krankenkassen begannen, Geburten in Krankenhäusern zu bezahlen, änderte sich auch die Tätigkeit von Berta Lacher. Im Krankenhaus übernahm sie nun den Dienst zunächst als Beleghebamme, ab 1970 im Angestelltenverhältnis. Aber auch hier nahm sie ihren Hebammendienst ernst. Manchmal sei sie drei bis vier Tage im Krankenhaus geblieben. Mit 63 Jahren ging Berta Lacher in den Ruhestand – hat aber auch danach oft ausgeholfen.
Die Trauerfeier findet heute, Samstag, um 10 Uhr in der Pfarrkirche Fulgenstadt statt, anschließend Beerdigung auf dem Friedhof.