Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Kritik an Atomwaffenplänen
Außenminister Gabriel verurteilt die neue US-Strategie
BERLIN (dpa/AFP) - Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat Kritik an der neuen Atomwaffenstrategie der USA geübt. „Die Entscheidung der US-Regierung für neue taktische Atomwaffen zeigt, dass die Spirale eines neuen atomaren Wettrüstens bereits in Gang gesetzt ist“, erklärte der SPD-Politiker am Sonntag. Am Freitagabend hatte das US-Verteidigungsministerium angekündigt, das Arsenal um Nuklearwaffen mit geringerer Sprengkraft ergänzen zu wollen. Die sogenannten Mini-Nukes sollen laut Pentagon mehr Flexibilität ermöglichen und vor allem Russland abschrecken. Der Report geht auf die „unberechenbare“Bedrohung durch Nordkorea ein.
Die Entwicklung neuer Waffen berge die Gefahr einer Aufrüstungsspirale, sagte Gabriel. „Wie in Zeiten des Kalten Krieges sind wir in Europa besonders gefährdet.“Die Bundesregierung setze sich für globale Abrüstung ein.
WASHINGTON - Kritiker Donald Trumps sprechen von einem gefährlichen Irrweg, Befürworter von nüchternem Realismus in einer Welt voller Gefahren: Die Vereinigten Staaten wollen ihr nukleares Arsenal um Atomwaffen mit geringerer Sprengkraft ergänzen, damit nach der Logik des Pentagon Rivalen wie Russland oder China auch künftig glaubhaft abgeschreckt werden. Es ist das bisher klarste Signal, dass der 45. US-Präsident abrückt von der Strategie seines Vorgängers Barack Obama, der einst die Vision einer Welt ohne Nuklearwaffen beschwor und zumindest in kleinen Schritten darauf hinarbeitete.
Verteidigungsminister James Mattis begründet den Kurswechsel mit der Tatsache, dass sowohl Moskau als auch Peking aufrüsten, ihre Kernwaffen modernisieren, „sich in die entgegengesetzte Richtung bewegten“, während die USA ihre Bestände reduziert hätten. Zudem strebe Nordkorea im Widerspruch zu UN-Resolutionen nach Nuklearraketen, sagte der ehemalige Viersternegeneral. Iran habe sich zwar einstweilen Beschränkungen unterworfen, doch sei das Land unverändert in der Lage, binnen zwölf Monaten eine Atombombe zu bauen, falls seine Führung entsprechend entscheide. „Wir müssen der Realität ins Auge sehen und die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir es uns wünschen“, schreibt Mattis im Vorwort des „Nuclear Posture Review“(NPR), einer Analyse zur Überprüfung der US-Atompolitik, wie sie jede Administration mindestens einmal vorlegen muss.
Kern des neuen Ansatzes ist die Absicht, sogenannte taktische Atomsprengköpfe zu entwickeln. Während das Pentagon von Waffen geringen Ertrags spricht, legen Fachleute Wert darauf, den Begriff zu hinterfragen: Jeder dieser Sprengköpfe habe die Wirkung der Atombomben, die 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Unter extremen Umständen, so der NPR, könnten solche Waffen auch als Antwort auf eine nichtnukleare Attacke eingesetzt werden. Experten wie Ernest Moniz und Sam Nunn, der eine Obamas Energieminister, der andere als Senator maßgeblich an Abrüstungsinitiativen beteiligt, übersetzen es so: Sollten die USA zur Zielscheibe eines massiven Cyberangriffs werden, könnten im Gegenzug taktische Sprengköpfe zum Einsatz kommen. Damit, warnen sie, stiege das Risiko fataler Fehleinschätzungen. Heute könnten Hacker Frühwarnsysteme manipulieren und somit Angriffe vortäuschen, schreiben beide in einem Essay.
Cruise Missiles für U-Boote
In einem zweiten Schritt, weniger beachtet angesichts des Wirbels um die Mini-Nukes, will das Pentagon U-Boote nach langer Pause wieder mit atomar bestückten Marschflugkörpern ausrüsten. Vor 27 Jahren war es George Bush der Ältere, der anordnete, derartige Cruise Missiles von Amerikas Unterseebooten zu entfernen. Später ließ Obama sie ganz aus dem Waffenarsenal nehmen. Mattis dagegen spricht von einer wohlüberlegten Option, die man brauche, um flexibler als bisher agieren zu können.