Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Kritik an Atomwaffen­plänen

Außenminis­ter Gabriel verurteilt die neue US-Strategie

- Von Frank Herrmann

BERLIN (dpa/AFP) - Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel hat Kritik an der neuen Atomwaffen­strategie der USA geübt. „Die Entscheidu­ng der US-Regierung für neue taktische Atomwaffen zeigt, dass die Spirale eines neuen atomaren Wettrüsten­s bereits in Gang gesetzt ist“, erklärte der SPD-Politiker am Sonntag. Am Freitagabe­nd hatte das US-Verteidigu­ngsministe­rium angekündig­t, das Arsenal um Nuklearwaf­fen mit geringerer Sprengkraf­t ergänzen zu wollen. Die sogenannte­n Mini-Nukes sollen laut Pentagon mehr Flexibilit­ät ermögliche­n und vor allem Russland abschrecke­n. Der Report geht auf die „unberechen­bare“Bedrohung durch Nordkorea ein.

Die Entwicklun­g neuer Waffen berge die Gefahr einer Aufrüstung­sspirale, sagte Gabriel. „Wie in Zeiten des Kalten Krieges sind wir in Europa besonders gefährdet.“Die Bundesregi­erung setze sich für globale Abrüstung ein.

WASHINGTON - Kritiker Donald Trumps sprechen von einem gefährlich­en Irrweg, Befürworte­r von nüchternem Realismus in einer Welt voller Gefahren: Die Vereinigte­n Staaten wollen ihr nukleares Arsenal um Atomwaffen mit geringerer Sprengkraf­t ergänzen, damit nach der Logik des Pentagon Rivalen wie Russland oder China auch künftig glaubhaft abgeschrec­kt werden. Es ist das bisher klarste Signal, dass der 45. US-Präsident abrückt von der Strategie seines Vorgängers Barack Obama, der einst die Vision einer Welt ohne Nuklearwaf­fen beschwor und zumindest in kleinen Schritten darauf hinarbeite­te.

Verteidigu­ngsministe­r James Mattis begründet den Kurswechse­l mit der Tatsache, dass sowohl Moskau als auch Peking aufrüsten, ihre Kernwaffen modernisie­ren, „sich in die entgegenge­setzte Richtung bewegten“, während die USA ihre Bestände reduziert hätten. Zudem strebe Nordkorea im Widerspruc­h zu UN-Resolution­en nach Nuklearrak­eten, sagte der ehemalige Viersterne­general. Iran habe sich zwar einstweile­n Beschränku­ngen unterworfe­n, doch sei das Land unveränder­t in der Lage, binnen zwölf Monaten eine Atombombe zu bauen, falls seine Führung entspreche­nd entscheide. „Wir müssen der Realität ins Auge sehen und die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir es uns wünschen“, schreibt Mattis im Vorwort des „Nuclear Posture Review“(NPR), einer Analyse zur Überprüfun­g der US-Atompoliti­k, wie sie jede Administra­tion mindestens einmal vorlegen muss.

Kern des neuen Ansatzes ist die Absicht, sogenannte taktische Atomspreng­köpfe zu entwickeln. Während das Pentagon von Waffen geringen Ertrags spricht, legen Fachleute Wert darauf, den Begriff zu hinterfrag­en: Jeder dieser Sprengköpf­e habe die Wirkung der Atombomben, die 1945 über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden. Unter extremen Umständen, so der NPR, könnten solche Waffen auch als Antwort auf eine nichtnukle­are Attacke eingesetzt werden. Experten wie Ernest Moniz und Sam Nunn, der eine Obamas Energiemin­ister, der andere als Senator maßgeblich an Abrüstungs­initiative­n beteiligt, übersetzen es so: Sollten die USA zur Zielscheib­e eines massiven Cyberangri­ffs werden, könnten im Gegenzug taktische Sprengköpf­e zum Einsatz kommen. Damit, warnen sie, stiege das Risiko fataler Fehleinsch­ätzungen. Heute könnten Hacker Frühwarnsy­steme manipulier­en und somit Angriffe vortäusche­n, schreiben beide in einem Essay.

Cruise Missiles für U-Boote

In einem zweiten Schritt, weniger beachtet angesichts des Wirbels um die Mini-Nukes, will das Pentagon U-Boote nach langer Pause wieder mit atomar bestückten Marschflug­körpern ausrüsten. Vor 27 Jahren war es George Bush der Ältere, der anordnete, derartige Cruise Missiles von Amerikas Unterseebo­oten zu entfernen. Später ließ Obama sie ganz aus dem Waffenarse­nal nehmen. Mattis dagegen spricht von einer wohlüberle­gten Option, die man brauche, um flexibler als bisher agieren zu können.

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FOTO: DPA Die US-Regierung will eine „kleine Zahl“existieren­der Atomspreng­köpfe von U-Boot-gestützten Langstreck­enraketen umrüsten, um über eine Variante mit geringerer Sprengkraf­t zu verfügen.

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