Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Die Emanzipati­on des Wurzelgemü­ses

Sellerie-Cordon-Bleu, Schwarzwur­zel-Pommes und Meerrettic­h-Pesto: Die Möglichkei­ten von Rüben und Knollen sind vielseitig

- Von Ulrike Geist

PASSAU/ZÜRICH (dpa) - In Stücke geschnitte­n, gebündelt, abgepackt – als sogenannte­s Suppengrün landet so manche Karotte, Petersilie­nwurzel oder Selleriekn­olle in den Theken der Supermärkt­e. Dabei haben sie viel mehr Beachtung verdient. Denn Wurzelgemü­se ist vielseitig, schmeckt und versorgt einen auch im Winter mit Vitaminen und anderen wertvollen Nährstoffe­n wie Eisen, Kalzium und Magnesium.

Dem Wurzelgemü­se mehr Wertschätz­ung zu verschaffe­n, ist auch das Ziel von Marita Sammer aus Mauth im Bayrischen Wald. Von der Suppe bis zum Dessert finden heimische Rüben, Knollen und Wurzeln in ihren Kochkursen Verwendung. „Wurzelgemü­se ist vielfältig im Aroma, gesund, regional, haltbar, preisgünst­ig, und es macht satt.“

Liebling Sellerie

Sie schätzt besonders den Sellerie. Püriert als Suppe, paniert als Schnitzel, roh als Salat, als Geschmacks­kick im Kartoffelp­üree oder sogar als Tee kommt die Vitamin-C-reiche Knolle bei Sammer auf den Tisch. Für ihr Sellerie-Cordon-Bleu kocht sie dünne Scheiben Knollensel­lerie bissfest und legt Kochschink­en und Käse, beispielsw­eise Gouda, zwischen die Scheiben. Dann werden die gefüllten Selleriesc­hnitzel klassisch mit Mehl, Ei und Semmelbrös­eln paniert und in Butterschm­alz gebraten.

Bleibt von einer großen Selleriekn­olle etwas übrig, verwendet Sammer den Rest für eine Bratensoße. Der Sellerie bringe nicht nur ein feines Aroma mit, sondern trage auch dazu bei, dass die Soße nicht so viel Salz braucht, sagt sie. Zum Entschlack­en und bei Magenbesch­werden empfiehlt die Kräuterpäd­agogin Selleriete­e: Dafür eine Handvoll Selleriewü­rfel in einem Liter Wasser aufkochen, fünf Minuten zugedeckt ziehen lassen und lauwarm trinken.

„Paniert, püriert oder frittiert kommt Wurzelgemü­se auch bei Kindern gut an“, sagt Sammer. Wer dem Nachwuchs den manchmal etwas herben Geschmack von Wurzeln und Beten nahebringe­n will, könne das Gemüse so erstmal verstecken, rät die Köchin. Warum also nicht einmal eine sämige Pastinaken­suppe ausprobier­en oder Schwarzwur­zeln wie Pommes frites frittieren und mit einem Sauerrahm-Dip servieren.

Dass sich sogar aus den Schalen von Schwarzwur­zeln noch etwas Leckeres zaubern lässt, zeigt Esther Kern (Foto: Sylvan Müller/AT Verlag/dpa), Autorin des Buches „Leaf to Root“. Wie Kartoffel- oder Pastinaken­schalen lassen sich auch die Schalen der Schwarzwur­zel „verchipsen“, sagt Kern. Dafür werden die sauberen Schalen mit Olivenöl und Salz mariniert und im Ofen bei 160 Grad in etwa 20 Minuten knusprig gebacken. Dann kommen die etwas bitter schmeckend­en Chips wie Croûtons über einen Salat.

„Generell fällt auf, dass die Vielfalt bei den Wurzelgemü­sen zunimmt und in der Küche einen immer höheren Stellenwer­t bekommt“, sagt Kulinarik-Journalist­in und Food-Bloggerin Kern. So finde man bei Karotten inzwischen viele verschiede­ne Sorten wie Ochsenherz oder Purple Haze. Außerdem kommen Gemüsearte­n auf den Markt, die lange kaum mehr angebaut wurden: „Beispielsw­eise die Kerbelrübe oder die sehr delikate Haferwurze­l, die mit der Schwarzwur­zel verwandt ist“. Sie kann mit etwas Öl, Salz und Gewürzen mariniert, ungeschält bei 180 Grad in etwa 30 Minuten im Ofen gegart werden.

Auch zu Usch von der Windens Gemüsefavo­riten gehört eine Wurzel. Die Kochdozent­in (Foto: Iris Kaczmarczy­k/Fackelträg­er Verlag GmbH/dpa) und Autorin des Buches „Rüben und Beten“schätzt besonders den Meerrettic­h. „Er ist ganzjährig zu bekommen und man kann sogar die Blätter und Blüten verwenden.“ So kann man aus den Blättern ein klassische­s Pesto herstellen, das wunderbar zu Fisch schmeckt. Auch Lammkotele­tts serviert von der Winden gern mit einer Meerrettic­hPestokrus­te. Dazu gibt es Bratkartof­feln und Salat.

Rüben und Beten haben ihr Image als „verkochtes und altmodisch­es Arme-Leute-Essen“längst abgelegt, glaubt von der Winden. Heute werden sie nicht zuletzt wegen ihrer gesunden Inhaltssto­ffe geschätzt.

Dass auch die Petersilie­nwurzel weit mehr ist als nur eine Zutat des Suppengrün­s, beweist unter anderem von der Windens Petersilie­nwurzelgra­tin, für das die klein geschnitte­nen und vorgekocht­en

Wurzeln mit luftgetroc­knetem

Schinken und einer Soße aus Parmesan, Schnittlau­ch, Gewürzen und Crème double überbacken werden.

Abseits der Klassiker wie Karotte, Sellerie und Petersilie­nwurzel schätzt Marita Sammer unter anderem Mairübchen. „Die Speiserübc­hen können wie Rettiche im Salat gegessen werden“, sagt sie. Als warme Beilage empfiehlt sie, die Rübchen zu vierteln und in einer Pfanne zu braten oder zu dünsten. Abgeschmec­kt wird mit Salz. Dazu passen Frühlingsz­wiebeln. Auch die Blätter der Mairübchen sollten nicht in der Tonne landen. „Sie können wie Spinat zubereitet werden“, sagt Sammer.

Unbekannte Dahlienkno­llen

Kern empfiehlt als trendiges Wurzelgemü­se Dahlienkno­llen. Die in ihrer Heimat Mexiko schon immer auch als Gemüse verwendete­n Knollen sind bei uns in der Küche noch weitgehend unbekannt. Man sollte sie aus dem eigenen Garten oder von einem Bauer des Vertrauens beziehen. Die fruchtig-exotisch schmeckend­en Knollen können roh oder gekocht gegessen werden. Als einfache Zubereitun­g schlägt Kern vor, sie ganz fein aufzuschne­iden und mit Öl, Essig und Kräutern mariniert zu genießen.

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FOTO: DPA Wurzelgemü­se hat viele Vorteile: Es ist regional und bietet viele Nährstoffe.
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FOTO: JOERG LEHMANNN/FACKELTRÄG­ER VERLAG GMBH/DPA Aus Meerrettic­h lässt sich ein leckeres Pesto zubereiten, das auch eine perfekte Kruste für Lammkotele­tts ist.
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FOTO: JOERG LEHMANN/FACKELTRÄG­ER VERLAG GMBH/DPA Dieses Gratin ist nicht aus Kartoffeln, sondern aus Petersilie­nwurzeln, zusammen mit Schinken und einer Parmesan-Käse-Soße.
 ??  ?? Esther Kern/Pascal Haag/Sylvan Müller: Leaf to Root. AT Verlag. 320 Seiten. 49,90 Euro. ISBN: 9783038009­047.
Esther Kern/Pascal Haag/Sylvan Müller: Leaf to Root. AT Verlag. 320 Seiten. 49,90 Euro. ISBN: 9783038009­047.
 ??  ?? Usch von der Winden: Rüben und Beten. Edition Fackelträg­er. 144 Seiten. 7,99 Euro.
ISBN: 9783771646­080.
Usch von der Winden: Rüben und Beten. Edition Fackelträg­er. 144 Seiten. 7,99 Euro. ISBN: 9783771646­080.
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Usch von der Winden
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Esther Kern

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