Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)
Brunnenberglern verschlägt es die Sprache
Ministerpräsident Kretschmann zeichnet Chorführung mit Aachener Orden aus
SIGMARINGEN - Wenn es Bergschultes August Dannegger und Dirigent Fritz Kottmann bei der Brunnenbergfasnet die Sprache verschlägt, dann muss etwas passiert sein. Stammgast Winfried Kretschmann zieht zwei Orden aus seiner Sakkotasche und würdigt den närrischen Witz seiner Fasnetsfreunde. Die Orden, die der Ministerpräsident verteilt, sind nicht irgendwelche Orden: Vor einigen Tagen erhielt Kretschmann den Aachener Orden wider den tierischen Ernst für Humor und Menschlichkeit. Er sei aufgerufen, einige Orden an Menschen weiterzureichen, die sie verdient hätten, sagt der aus Laiz stammende Spitzenpolitiker. Am Samstagabend im Sigmaringer Gasthaus Zoller-Hof gibt Kretschmann zwei der Orden an den Brunnenbergchor weiter und adelt damit die Fasnet, die die Bergler seit Jahrzehnten mit Freude und Tiefgang feiern. Kretschmann spricht von einer „hintersinnigen Fasnet“: „Ihr habt den Orden verdient, weil ihr uns den Ernst nehmt.“
Die Brunnenbergfasnet ist seit Jahren ein Fixpunkt im Terminkalender des Spitzenpolitikers. Soweit das für einen Menschen seines Formats möglich ist, hält sich Kretschmann im Hintergrund. Er schweigt und genießt die Brunnenbergfasnet. Doch am Samstag ist einiges anders: Statt seines blauen Umhangs trägt Kretschmann Sakko, weißes Hemd und die Elferratsmütze, die er bei der Sitzung des Aachener Karnevalsvereins bekommen hat. Das dies einen tieferen Sinn hat, denkt noch keiner, als Kretschmann eintrifft.
Vor der letzten Nummer plötzlich Aufregung: Der Ministerpräsident will etwas sagen, ruft Kottmann seinen Chormitgliedern zu. Er weiß in diesem Moment noch nicht, was Kretschmann vor hat. Kretschmanns Laudatio gleicht einer Büttenrede. Den Aachener Orden hätten so „Vollhumoristen“wie Markus Söder, Edmund Stoiber und Christian Lindner bekommen. Dem früheren Soldaten Kottmann ruft er zu: „Soldat sein ist ein ernster Beruf. Du wärst besser in die Politik gegangen. Da ist es jeden Tag lustig, besonders wenn man mit der CDU regiert.“Einen Seitenhieb hat er auch für August Dannegger parat: Ziel eines Zimmermanns sei nicht den Dachstuhl aufzurichten, sondern vielmehr das Richtfest zu feiern.
Bergschultes alles andere als zimperlich
Wer austeilt, der muss auch einstecken können, denkt Dannegger wohl in diesem Moment: Der Bergschultes ist alles andere als zimperlich. Stadtführer Struppi, ein früherer Lehrer, ärgert er so: „Es ist gut, dass du in Rente bist, dann kann unseren Enkeln nichts mehr passieren.“Sein Fett weg bekommt Ex-Landrat Dirk Gaerte, der bei der Konstanzer Fernsehfasnet im Bild auftauchte: „Du warst nicht bei der Sache. Regine (seine Ehefrau) musste dir sagen, wann Applaus angesagt war.“
Eine fürstliche Jagd inszenieren die Bergrebellen Ingo Ponti und Werner Müller: Einen Lachanfall lösen bei vielen Gästen allein schon Pontis Versuche aus, mit dem Posthorn auf die Jagd einzustimmen. Auf Einladung der Krankenhaus-Chefin versammelt sich die Prominenz. Unter ihnen der Bürgermeister mit EBike und Radler-Loden und die „Landrätin im grünem Stoff mit der Kalaschnikow“. Das Ende der Jagd: Der Hirsch wälzt sich im Radler-Loden am Boden und die Jagdmeute liegt im Krankenhaus darnieder. Nicht nur die Bergrebellen, sondern auch die Besucher lachen sich ins Fäustchen.
Fertigmachen zum Finale: „Jetzt ist es nicht einfach, die Kurve zu kriegen“, sagt Fritz Kottmann mit dem Aachener Orden um den Hals, als er die Sprache wiedergefunden hatte. Nachdenkliche Töne schlägt der Chor an, als es um die Zukunft des Gasthauses Zoller-Hof geht, das umgebaut werden soll: „Wir sehen uns, so wie es aussieht, mit Sicherheit, vielleicht im nächsten Jahr wieder.“
Winfried Kretschmann und die 130 Gäste würden sofort wiederkommen. Die Frage ist nur, wohin.