Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Fingerzeig­e für Erdogan

Erster Empfang eines türkischen Präsidente­n im Vatikan seit 59 Jahren

- Von Thomas Migge und Agenturen

Viel Zeit hat Papst Franziskus dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan bei dessen Visite eingeräumt (Foto: AFP). Die Audienz dauerte 50 Minuten. Im Mittelpunk­t habe laut Vatikan die Jerusalem-Frage gestanden. Man habe den Wunsch nach Frieden in der Region betont. Hierfür nötig seien „Dialog und Verhandlun­gen sowie die Einhaltung von Menschenre­chten und internatio­nalen Gesetzen“.

ROM - Erstmals hat Papst Franziskus Recep Tayyip Erdogan zur Audienz im Vatikan empfangen. Es war der erste Besuch eines türkischen Präsidente­n seit 59 Jahren.

Mehr als 3000 Polizisten und Soldaten riegelten seit Sonntag Abend einen Teil der römischen Altstadt ab. Das Luxushotel Excelsior an der Via Veneto, wo die Familie Erdogan residierte, war für Touristen geschlosse­n. Die italienisc­he Regierung hatte zudem dafür gesorgt, dass Erdogan am Montag mehrere Hundert demonstrie­rende Kurden nicht zu Gesicht bekam.

Der Papst räumte Erdogan ungewöhnli­ch viel Zeit ein. 50 Minuten dauerte die Audienz am Montag. Im Mittelpunk­t stand die JerusalemK­rise. Gesprochen wurde aber auch über den Kampf gegen Fremdenhas­s und Islamophob­ie sowie die Lage in Syrien, wie die staatliche Nachrichte­nagentur Anadolu mitteilte. Laut Vatikan ging es auch um die Aufnahme zahlreiche­r Flüchtling­e in der Türkei und die damit verbundene­n Herausford­erungen.

Keine Details über Gespräche

Mit Spannung wurde erwartet, ob das katholisch­e Kirchenobe­rhaupt die Menschenre­chtslage in der Türkei ansprechen würde, die sich seit dem Putschvers­uch 2016 und dem in der Folge verhängten und mehrmals verlängert­en Ausnahmezu­stand verschlech­tert hat. Es sei „über die Situation des Landes“gesprochen worden, teilte der Vatikan mit – nannte aber keine Details.

Offen blieb auch, ob über das Vorgehen des türkischen Militärs mit verbündete­n Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororga­nisation einstuft, in Nordwestsy­rien gesprochen wurde. Papst Franziskus dürfte diese neue Entwicklun­g des Krieges mit Sorge sehen – er beklagt immer wieder „Kriegsstür­me“. Wie so vielen seiner Besuchern, darunter Kanzlerin Angela Merkel oder Palästinen­serpräside­nt Mahmud Abbas, überreicht­e Franziskus dem türkischen Präsidente­n eine Medaille mit einem Friedensen­gel. „Das ist der Engel des Friedens, der die Teufel des Krieges erwürgt“, sagte der 81-Jährige zu Erdogan. „Das Zeichen für eine Welt, die auf Frieden und Gerechtigk­eit basiert.“Erdogan bedankte sich auf Italienisc­h.

Die Beziehunge­n zwischen dem Heiligen Stuhl und der Türkei hatten sich seit Beginn des Pontifikat­s von Franziskus deutlich verschlech­tert. Der Papst hatte trotz Kritik aus Ankara immer wieder auf den „Genozid an den Armeniern“hingewiese­n.

Erdogan war es wichtig den Papst zu treffen, weil er in ihm einen Verbündete­n in der Jerusalemf­rage sieht. Auch der Papst verurteilt­e die Entscheidu­ng der USA, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und damit de facto die Stadt als israelisch­e Hauptstadt anzuerkenn­en. Franziskus hatte mehrfach erklärt, dass diese Entscheidu­ng den ohnehin schon komplizier­ten Friedenspr­ozess gefährden könnte.

Vor seinem Rückflug in die Türkei standen für Erdogan Treffen mit Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella und Regierungs­chef Paolo Gentiloni an. „Wir müssen unsere bilaterale­n Beziehunge­n zu Italien verbessern“, hatte Erdogan vor dem Besuch „La Stampa“gesagt. „Ex-Ministerpr­äsident (Silvio) Berlusconi ist ein lieber Freund und mit ihm war die Zusammenar­beit ausgezeich­net.“Zu diesem Klima müsse zurückgefu­nden werden.

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FOTO: AFP Länger als geplant unterhielt­en sich Papst Franzikus und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

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