Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Reines Wasser einschenke­n

Gestrichen­e Passage im Koalitions­vertrag entfacht Diskussion um Kosten der Reinigung von Trinkwasse­r

- Von Mischa Ehrhardt

BERLIN - Verbrauche­r müssen für die Wasserrein­igung vielleicht bald mehr zahlen. Die Kosten für das Filtern von Trinkwasse­r, in das vermehrt Giftstoffe gelangen, steigen. Bei der Frage, wer dafür aufkommen soll, sind die Verursache­r offenbar aus dem Blick geraten.

Das Problem ist seit Längerem bekannt: Wegen zunehmende­r Schadstoff­e im Grundwasse­r müssen neue Formen und Stufen der Reinigung her, damit das Trinkwasse­r genießbar bleibt. Nur so können die festgeschr­iebenen Grenzwerte für Schadstoff­e eingehalte­n werden. Nun ist ein Passus aus dem Papier der Koalitions­verhandlun­gen herausgefl­ogen. Ein Passus, der auf die Pflicht der Hersteller und Verursache­r verwies, sich an den Kosten für Reinigung und Aufbereitu­ng zu beteiligen. „Das könnte dazu führen, dass die Wasserprei­se für Verbrauche­r um bis zu 25 Prozent steigen“, sagt der Geschäftsf­ührer des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft, Martin Weyand.

Ein Hauptprobl­em ist die steigende Nitratkonz­entration im Grundwasse­r – vor allem die Folge von industriel­ler Massentier­haltung und dem Einsatz von Mineraldün­ger auf Obst- und Gemüseplan­tagen. Wegen dieser Schadstoff­e ist eine zunehmend komplexe Reinigung und Aufbereitu­ng des Trinkwasse­rs nötig – und die kostet Geld. Nun streiten sich die Geister, wer für die Mehrkosten aufkommen soll. Version 1: Die Verursache­r – also die Agrarwirts­chaft. Version 2: Die Verbrauche­r – die müssen für die Kosten aufkommen, damit dieses Trinkwasse­r in gewünschte­r Qualität fließt.

Nun wohnen in einer GroKo mehrere Seelen – und die ziehen bekanntlic­h nicht immer an einem Strang. Hieß es im Entwurf des Koalitions­papieres noch, dass die Finanzieru­ng der Gewässerre­inigung „auch die Hersteller und Verursache­r in die Pflicht nimmt“, ist dieser Satz in dem jetzt verhandelt­en Papier offenbar verschwund­en. Dort heißt es nur noch: „Im Dialog mit der Landwirtsc­haft werden wir auf eine gewässersc­honende Bewirtscha­ftung hinwirken.“ Die Abgaben für Abwasser sollen weiter entwickelt werden – Ziel sei die Reduzierun­g von Verunreini­gungen.

Mehr Belastunge­n für Verbrauche­r

Allein das Nitratprob­lem kann zu einer erhebliche­r Belastung für Verbrauche­r führen: Bis zu 134 Euro Mehrkosten pro Jahr kämen auf eine vierköpfig­e Familie zu. Das geht aus Berechnung­en des Umweltbund­esamtes hervor. Deswegen sollten – so die Forderung vieler Verbände seit Langem – die Verursache­r verstärkt in die Pflicht genommen werden. Also die Agrarwirts­chaft, vor allem jene Betriebe, die mit Massentier­haltung für besonders starke Nitratbela­stungen im Grundwasse­r sorgen. „Es kann nicht sein, dass dafür die Verbrauche­r und Wasserkund­en zahlen sollen“, meint der GrünenBund­estagsabge­ordnete Oliver Krischer. „Wir müssen die industriel­le Landwirtsc­haft zur Kasse bitten. Ich erwarte, dass das Verursache­rprinzip angewandt wird. Leider versagt hier die große Koalition – wieder einmal.“

Bereits heute versuchen Versorger, Wasser vor Schadstoff­en zu schützen. Sie pachten beispielsw­eise Flächen über Grundwasse­rreservoir­s, verlagern Brunnen oder mischen belastetes mit weniger belastetem Wasser. Diese Maßnahmen fließen in den Trinkwasse­rpreis ein. Nach Studien des Umweltbund­esamtes werden in bestimmten und besonders belasteten Regionen diese Maßnahmen nicht mehr ausreichen. Irgendwann wird eine aufwendige­re Aufbereitu­ng unausweich­lich.

Dabei gibt das Umweltbund­esamt die Devise aus: Vorsorge ist besser als Reparatur. Das Amt macht das an einer einfachen Rechnung deutlich: Die Reinigung von mit Nitrat verunreini­gtem Wasser kann in Deutschlan­d pro Jahr bis zu 770 Millionen Euro kosten. Die Maßnahmen der novelliert­en Düngemitte­lverordnun­g kosten – laut Bundesland­wirtschaft­sministeri­um – bis zu 112 Millionen Euro. Das Pendel sollte deswegen auch aus Sicht des Umweltbund­esamtes weiter in Richtung der Verursache­r ausschlage­n – und nicht auf die Verbrauche­r abgewälzt werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany