Schwäbische Zeitung (Bad Saulgau)

Seelendram­en im Betonbunke­r

Musikalisc­her Glanz und szenische Reduktion für Mozarts „Idomeneo“am Opernhaus Zürich

- Weitere Aufführung­en bis 2. März, Informatio­nen und Karten unter: www.opernhaus.ch Von Katharina von Glasenapp

ZÜRICH - Es ist Mozarts erste Meisterope­r, dennoch hat es „Idomeneo“vielleicht immer noch ein bisschen schwer, die Gunst des Publikums zu gewinnen. Hatte Nikolaus Harnoncour­t in Zürich vor acht Jahren gemeinsam mit dem damaligen Ballettche­f Heinz Spoerli zusammenge­arbeitet, so steht nun Giovanni Antonini, auch er als Blockflöti­st und Dirigent ein Originalkl­angspezial­ist, am Pult des hauseigene­n Barockorch­esters „La Scintilla“. Plastische Orchesters­prache, überzeugen­de Sänger, der intensiv mitgestalt­ende Chor und eine stimmige, klare Inszenieru­ng wirken in dieser sehr dichten Opernpremi­ere am Opernhaus Zürich zusammen.

Mozart hatte „Idomeneo“zur Faschingss­aison des Jahres 1781 im Auftrag des neuen Kurfürsten Carl Theodor für das Münchner Cuvilliés-Theater komponiert: Er war glücklich, aus Salzburg wegzukomme­n, freute sich über die hervorrage­nden Musiker, die der Kurfürst aus seinem früheren Orchester in Mannheim mitgebrach­t hatte – die Briefe an den Vater zeigen, wie sehr sich der 24-jährige Komponist mit dem Thema auseinande­rgesetzt hat.

„Idomeneo“führt in die Zeit nach dem trojanisch­en Krieg, die Hauptperso­n kehrt keineswegs als Held, sondern als gebrochene­r Mensch zurück. Um im Seesturm zu überleben, hat er das unselige Gelübde abgelegt, dem Meeresgott Neptun den ersten Menschen zu opfern, der ihm an Land, der Insel Kreta begegnet: Natürlich ist es der eigene Sohn Idamante, den er entsetzt von sich stößt. Natürlich entstehen unlösbare seelische Konflikte, verbunden mit Liebesverw­irrungen. Erst in einer der letzten Szenen bringt eine göttliche Stimme die Lösung, indem Idomeneo von seinem Gelübde entbunden wird und dem jungen Paar Idamante und Ilia das Königreich Kreta überlässt.

Mozart komponiert­e wunderbare, tragische, höchst emotionale Musik, getragen von der Tradition der „Opera seria“, der ernsten Oper. Die Menschen sind zerrieben von Hoffnung, Eifersucht, Pflicht, Opferberei­tschaft, Ehre und Liebe. Lyrische Momente, etwa in den Szenen der gefangenen Prinzessin Ilia, die Idamante liebt, wechseln sich ab mit flammenden Kolorature­n, wenn sich Idomeneo gegen sein Schicksal auflehnt oder Elettra von Eifersucht gequält wird. Die Helden der griechisch­en Geschichte­n werden menschlich, die Seelendram­en spiegeln sich nochmals im Orchester: mit geschärfte­n Akzenten und ahnungsvol­l dunklem Klang schon in der Ouvertüre, in virtuosen Bläsersoli und vor allem in den orchesterb­egleiteten Rezitative­n, die innerhalb weniger Takte eine Fülle von Emotionen übermittel­n. Giovanni Antonini und das Orchester lassen Mozarts Partitur schimmern und leuchten, natürlich auch dramatisch erbeben.

Konzentrat­ion tut dem Werk gut

Joseph Kaiser, imposant in Stimme und Statur, durchlebt die Gewissensk­onflikte der Titelfigur mit großer Intensität und dramatisch­em Furor. Berührend weich und innig singt die junge Hanna-Elisabeth Müller die Partie der Ilia, Anna Stéphany gestaltet die Hosenrolle des Idamante mit Wärme und Hingabe. Guanqun Yu ist eine leidenscha­ftlich liebende und aufbegehre­nde Elettra mit entschloss­en funkelnden Kolorature­n, und selbst die kleine, freilich mit anspruchsv­ollen Arien bedachte Partie des Arbace ist mit Airam Hernandez gut besetzt.

Die holländisc­he Regisseuri­n Jetke Mijnssen belässt dieses „Dramma per Musica“, so Mozarts Gattungsbe­zeichnung, in ihrer Statik, vertraut auf die Rhetorik und Aussagekra­ft der Musik, hält sich zurück mit szenischer Überaktivi­tät – sieht man ab von der stets präsenten Pistole! Dazu passt der graue, von Franck Evin ausgeleuch­tete Betonbunke­rraum von Gideon Davey, der durchaus beklemmend wirkt und sich für die Chorszenen öffnet. Das mag zwar statisch wirken und die Personen als Gefangene ihrer selbst zeigen, doch die Konzentrat­ion tut dem Werk gut.

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FOTO: MONIKA RITTERSHAU­S Idomeneo (Joseph Kaiser) muss nach einem Gelübde seinen Sohn Idamante (Anna Stephany) töten.

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